Tschechien: Stromsheriffs gegen säumige Zahler

(c) DiePresse (FABRY Clemens)
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Gegen die Inkassomethoden des Energieriesen CEZ hagelt es Vorwürfe. Vornehmlich zu mitternächtlicher Stunde sollen schwarz gekleidete Männer bei den mutmaßlichen Stromdieben vorstellig werden, um Geld einzutreiben.

Prag/Wien. In Tschechien hat der lokale Energiekonzern CEZ einen guten Stand. Strom wird schließlich immer gebraucht. Dafür, dass er von der CEZ kommt, sorgt die De-facto-Monopolstellung des halbstaatlichen Unternehmens. Doch auch den Energieriesen plagen Sorgen. Immer mehr Tschechen können oder wollen ihre Rechnungen nicht länger bezahlen und zapfen den Strom stattdessen illegal ab.

Mit Mahnungen und Klagsdrohungen ist da nicht mehr viel zu machen, befand der Konzern offenbar und formierte im Jahr 2005 eine Spezialeinheit zur Eintreibung der Außenstände. Seitdem wollen die Klagen über die sogenannten „Stromsheriffs“ nicht abreißen. Vornehmlich zu mitternächtlicher Stunde sollen die schwarz gekleideten Mitglieder der Abteilung für „nicht technisch bedingte Verluste“ (NTZ) bei den mutmaßlichen Stromdieben vorstellig werden, um Geld einzutreiben und Geständnisse abzupressen. Mit teils fatalen Folgen. Ungeklärt ist etwa der Fall eines älteren Mannes, der sich während einer Razzia des Spezialkommandos das Leben nahm. Neu sind die Vorwürfe nicht. Eine Sammelklage von 87 betroffenen Kunden wurde bereits vor zwei Jahren wieder eingestellt. Die Forderungen der CEZ sind rechtmäßig, fraglich ist „nur“ das Vorgehen der Stromsheriffs.

15.000 Stromdiebe gefasst

Wie dieses Vorgehen in etwa aussehen könnte, wissen die Tschechen seit wenigen Tagen. Zu Monatsbeginn wurde mehreren tschechischen Medien nämlich ein Trainingsvideo der NTZ zugespielt, das den mächtigen Stromkonzern neuerlich unter Druck setzt, berichtet das Internetportal Tschechien-Online.

„Los, zieh, kämpfe, mach schon“, herrscht der Ausbildner die künftigen Stromsheriffs auf dem Video an. Die Männer lernen den Umgang mit Schlagstöcken und Schusswaffen. Selbst wenn die Einsätze ohne Waffengebrauch ablaufen, ein halbstaatlicher Betrieb, der Paramilitärs beschäftigt, um die Aufgabe der Polizei zu erledigen, könne nicht angehen, entschied Premierminister Jan Fischer und wies seinen Finanzminister an, die Vorfälle zu prüfen.

CEZ-Generaldirektor Martin Roman betrachtet die Spezialeinheit unterdessen weiterhin als Erfolg. Zwar gab er gegenüber Radio Praha zu, dass es seit Gründung der Inkasso-Sonderabteilung im Jahr 2005 zu „Fehlgriffen“ gekommen sei. Die Videos seien aber fünf Jahre alt, ein derartiges Training habe es seither nicht gegeben. Auch die schwarzen Uniformen seien längst ausgemustert. Auflösen will Roman die Abteilung aber nicht. Immerhin werde „Strom hierzulande in großem Stil gestohlen“. Seit 2005 soll die NTZ 15.000 Stromdiebe gestellt und so Verluste von 500 Mio. Kronen (19 Mio. Euro) abgewehrt haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2010)

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