Ein Dacia für Rumänen

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Nachdem der Dacia im Kommunismus der Dacia für die Rumänen die einzige Option war, wurde er nach der Wende verachtet. Nach Exporterfolgen umwirbt Dacia wieder die Inländer.

Bukarest (n-ost). Im krisengeschüttelten Europa erfreuen sich die Dacia-Kleinwagen immer größerer Beliebtheit. In ganz Europa? Nicht ganz: Dort, wo sie produziert werden, will sie niemand haben. Nachdem im Kommunismus der Dacia für die Rumänen die einzige Option war, haben nach dem Fall des Eisernen Vorhangs viele ihre alten Autos eingetauscht – gegen ebenfalls alte Autos, Hauptsache fremder Provenienz. Noch 20 Jahre nach der Revolution ist es für die meisten Rumänen sehr wichtig, dass ihr Auto aus dem Ausland kommt.

Geländewagen für Schlaglöcher

Nun will die mittlerweile rumänisch-französische Firma Dacia-Renault die Landsleute wieder für die einheimische Marke gewinnen. Und da die Straßen im Lande oft eine Katastrophe sind – von Autobahnen können Rumänen nur träumen –, ist der Geländewagen Duster eine gute Option. Auf ihn konzentrieren sich nun die Marketing-Bemühungen.

Georg Schneider ist ein untypischer Rumäne. Er hat immer einen Dacia bevorzugt: „Für mein erstes Auto – in der kommunistischen Ära – habe ich einen Antrag stellen müssen. Ich wollte einen Trabi aus der DDR kaufen, doch der Antrag wurde abgewiesen, mit der Empfehlung, einen Dacia zu erwerben.“ Das war 1978. „Ein Trabant hätte nur die Hälfte gekostet“, sagt Schneider. Er musste damals 150 Kilometer fahren, um das neue Auto kaufen zu können.

„Es gab nur einige wenige Verkaufsstellen im Land. Der Mechaniker hat mehrere Wagen angelassen, dann durfte ich einen aussuchen.“ Autos wurden damals nicht nach der Größe des Motors ausgewählt, sondern nach dem Klang.

„Dann wurde der Wagen entfettet und gewaschen, ich habe etwa zehn Liter Benzin erhalten, und los ging es. Von Probefahrt war keine Rede.“ Beim Duster kann man heute zwischen drei verschiedenen Motoren wählen, davon zwei mit Diesel. Und eine Probefahrt gehört zum Standard.

Beim zweiten Wagen, 1984, war es viel komplizierter, einen Dacia zu kaufen. Man musste sechs Jahre warten, bis man „an die Reihe kam“, um das Auto abholen zu dürfen. Ein Neuwagen war nicht gerade billig: Man musste rund das 30-Fache des damaligen Durchschnittsgehalts berappen.

Heute ist der Dacia Duster der billigste Geländewagen, der in Europa gebaut wird. Der angekündigte Preis liegt zwischen 10.500 und 16.500 Euro. Allerdings müssen potenzielle Käufer auch beim jüngsten Wurf aus der Autoschmiede Wartezeiten in Kauf nehmen: Wie die Firma kürzlich mitteilte, gibt es bereits tausende Vorbestellungen.

Schneider erinnert sich gut an den Kauf seines zweiten Autos: „Ich musste direkt zur Fabrik fahren und bin gegen Mitternacht an die Reihe gekommen. Ich war sehr aufgeregt.“ Die Aufregung war allerdings weder der Vorfreude geschuldet noch dem Umstand, dass die lange Wartezeit endlich vorüber war. Vielmehr sorgte sich jeder Autokäufer, ob der neue Wagen überhaupt fährt. Wenn das Auto nicht ansprang, wurde es aus der Fabrik herausgeschoben, und der Käufer suchte sich gleich einen Mechaniker, um den Schaden beheben zu lassen.

Gelb, die Farbe des Zufalls

Schneider hatte damals Glück, sein Auto sprang an. Es fehlte allerdings das Reserverad. Der Mechaniker holte einfach eines aus einem anderen Auto: „Mindestens einer ist damals ohne Reserverad in die Nacht gefahren“, sagt Schneider, der heute im Ruhestand ist. Die meisten nahmen einfach das Auto, wie es war, kaum einer traute sich zu meckern.

Auch die Farbe konnte man sich nicht aussuchen. „Wie es kommt“, war die Antwort des Mechanikers auf die Frage nach der Farbe des Autos. Er wollte ein weißes, es wurde aber ein gelbes.

Als nach dem Fall des Eisernen Vorhangs die Rumänen Österreich und Deutschland stürmten, um Gebrauchtwagen zu kaufen, tanzte Schneider aus der Reihe: „Ich wollte ein neues Auto haben, deswegen habe ich mich wieder für einen Dacia 1300 entschieden.“

Noch immer wurden keine anderen Modelle produziert, „inzwischen hatte man aber die Möglichkeit zu wählen“, erzählt er. Bei der Farbe beispielsweise.

Und heute? Einen Duster will sich Schneider nicht kaufen, aber der im Rest Europas bekannte und beliebte Sandero sei für ihn schon eine Option. Dacia werde er jedenfalls die Treue halten.

Auf einen Blick

Rumäniens AutomarkeDacia war im Kommunismus die einzige Option für heimische Käufer. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wollten die meisten nur noch ausländische Autos. Nach großen Exporterfolgen vor allem in Westeuropa versucht Dacia-Renault nun wieder am Heimmarkt Fuß zu fassen – mit dem Geländewagen Duster, der vielen Schlaglöcher auf Rumäniens Straßen wegen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.03.2010)

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