Slowakei zögert bei Euro-Schutzschirm

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Die Slowakei blockiert als einziges Land das Hilfspaket für Griechenland und den Euro-Schutzschirm. „Wir werden nichts unterzeichnen, sondern uns nur informieren und verhandeln“, so Premierministerin Radicova.

Bratislava. „Wir werden nichts unterzeichnen, sondern uns nur informieren und verhandeln“, stellten die neue christlich-liberale Premierministerin Iveta Radicova und ihr Finanzminister Ivan Miklos klar, bevor sie ins Flugzeug nach Brüssel stiegen, um die Details des Euro-Schutzschirms und des Hilfspakets für Griechenland zu besprechen. Beides wird von der Slowakei als einzigem Land der Eurozone noch blockiert.

Vor allem die beiden größten der vier neuen slowakischen Regierungsparteien hatten sich vor den Parlamentswahlen vom 12. Juni in eine kategorische Ablehnung hineingeredet. Es gehe nicht an, dass die Slowakei als ärmstes Land der Eurozone die Zeche für das reichere Griechenland zahlen müsse, hatte sich Radicova in den Wahlkampfbroschüren zitieren lassen. Anfang dieser Woche rechnete sie vor: Die sozialdemokratische Vorgängerregierung habe „eine riesige Verpflichtung“ akzeptiert, die einem Viertel des gesamten Jahreshaushalts der Slowakei bzw. den Mehrwertsteuereinnahmen eines ganzen Jahres entspreche. „Wir waren bei dieser Entscheidung nicht dabei!“

Neue Regierung blockiert Entscheidung

Der nunmehrige Parlamentspräsident Richard Sulik hatte als Spitzenkandidat seiner neoliberalen Partei-Neugründung Freiheit und Solidarität (SaS), die jetzt zweitstärkste Regierungspartei ist, noch radikalere Töne angeschlagen. Er hatte vor der Wahl offen einen Bankrott Griechenlands verlangt: Alles andere sei eine Einladung zum „finanzpolitischen Hasardspiel“ und „ein falsches Signal“ an die Finanzmärkte, dass die Euroländer ihre eigenen Stabilitätskriterien nicht ernst meinten.

Der frühere sozialdemokratische Premier Robert Fico hatte zwar von Griechenland Sparmaßnahmen verlangt, die wehtun, aber kein Hehl daraus gemacht, dass er eine slowakische Beteiligung an allen gemeinsamen Schritten der Eurozone für unausweichlich halte: „Wir können nicht die Vorteile der EU-Mitgliedschaft genießen, aber aussteigen, wenn unsere Solidarität gefragt ist!“ In Wahrheit liebäugle Fico nur deshalb mit der europäischen Solidarität, weil er mit seiner Schuldenpolitik selbst die Slowakei „auf einen griechischen Weg geführt“ habe und damit rechne, den Schutzschirm bald selbst zu brauchen, kritisierten die damaligen Oppositionspolitiker.

Auch Fico hatte gebetsmühlenartig wiederholt, dass es ungerecht sei, was man von der Slowakei verlange: Die Bevölkerung habe alle Anstrengungen unternommen, um die strengen Maastricht-Kriterien zu erfüllen und 2009 den Euro einzuführen. Die Slowakei habe den zweitniedrigsten Gesamtschuldenstand aller Länder der Eurozone nach Luxemburg. Beim Jahresdefizit sei man trotz Finanzkrise im europäischen Durchschnitt geblieben. Doch kaum sei man dem vermeintlichen Hort der finanzpolitischen Stabilität beigetreten, müsse man neue Schulden aufnehmen, um für Sünder zu bezahlen, die sich um die Regeln keinen Deut gekümmert hätten.

Die öffentliche Meinung spiegelt diese Sicht wider: In einer Umfrage der Agentur Dicio sprachen sich knapp 56 Prozent der Befragten gegen eine Unterstützung Griechenlands aus, nur 40 Prozent waren dafür. „Wenn wir uns gemessen am Bruttoinlandsprodukt mit einem 2,3-mal höheren Anteil beteiligen sollen als das reichste EU-Land Luxemburg, ist offensichtlich, dass das schlecht ausverhandelt wurde“, kritisierte der neue Finanzminister Ivan Miklos am Dienstag noch in Brüssel.

Nachverhandeln schwer möglich

Dass ein Nachverhandeln der slowakischen Beteiligungshöhe nicht mehr infrage käme, stellten aber der deutsche Finanzminister Schäuble und andere EU-Partner klar. Wenigstens die Kriterien, unter denen die Mechanismen des EU-Schutzschirms aktiviert werden können, wolle man aber noch mitbestimmen, deutete Radicova ein zerknirschtes Einlenken an: Am Mittwoch werde sich die Regierung mit den Informationen befassen, die sie aus Brüssel mitbringe.

Selbst wenn die Regierung einen Rückzieher machen sollte, könnte die Parlamentsabstimmung über eine slowakische Beteiligung noch zur Zitterpartie werden. Denn die einzigen zwei Parteien, die schon bisher aus „europäischer Solidarität“ den ungeliebten Maßnahmen zustimmen wollten, sind Ficos oppositionelle Sozialdemokraten und als einzige Regierungspartei die kleine christlich-konservative KDH von Ex-EU-Kommissar Jan Figel. Radicova wird ihren Parteifreunden hingegen erst erklären müssen, warum auf einmal nicht mehr gilt, was sie bisher predigte: „Meine Partei wird den Anleihen nicht zustimmen!“ Und Suliks Neoliberale sind sowieso als kurz vor der Wahl zusammengewürfeltes inhomogenes Häufchen ziemlich unberechenbar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2010)

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