Euro in Osteuropa als Heilsbringer oder Teufel

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Die politische Einstellung zur Gemeinschaftswährung in Bratislava und Prag könnte unterschiedlicher nicht sein. Dabei sind sich die beiden Volkswirtschaften in der Währungspolitik fast zum Verwechseln ähnlich.

Bratislava. „Wir sind in der Eurozone“, hören ausländische Investoren in Bratislava stets als eine der ersten Antworten, wenn es um die Vorzüge eines Investments in der Slowakei geht. In Tschechien ist nicht erst seit Ausbruch der Griechenland-Krise oft das genaue Gegenteil zu hören: „Wir sind zum Glück nicht dabei“, sagt nicht nur Staatspräsident Vaclav Klaus, der zur EU-Integration und zum Euro ein ähnliches Verhältnis hat wie der sprichwörtliche Teufel zum Weihwasser. Auch die neue tschechische Regierung zeigt – abgesehen von der derzeitigen Nicht-Erfüllung der Maastricht-Kriterien – keine Ambitionen, den Euro bald einzuführen. Es habe kaum Sinn, ein Zieldatum zu fixieren, „solange die Mitgliedsländer der Eurozone ihre Defizitkriterien selbst nicht erfüllen“, heißt es aus Prag.

Dabei sind sich die beiden Volkswirtschaften fast zum Verwechseln ähnlich, wenn es um Faktoren geht, die die Währungspolitik bestimmen sollten: Beide sind exportorientiert und weisen eine starke Dominanz des gegenüber Währungsschwankungen besonders empfindlichen Automobilsektors auf. Nicht zufällig war es gerade die tschechische Firma Škoda, die zu Jahresbeginn über hohe Einnahmenverluste durch Währungsschwankungen klagte, während die Schwesterfirma Volkswagen Slovakia davon unberührt blieb.

Politische Argumente überwiegen

Tschechien und die Slowakei wickeln ihren Handel großteils mit Euroländern ab. Polen hat als einziges neues EU-Land einen so großen Inlandsmarkt, dass es den Euro nicht braucht, um wirtschaftlich prosperieren zu können. Aber auch wenn Tschechien doppelt so groß ist wie die Slowakei, reicht dieser Unterschied nicht für eine makroökonomische Erklärung der unterschiedlichen Abwägung von Vor- und Nachteilen der Euro-Einführung, sagt Michal Musak von der slowakischen Bank Slovenská sporiteľňa. Auch sein Kollege Martin Lobotka von der tschechischen Schwesterbank Česká spořitelna (beide sind Töchter der Erste Bank) räumt ein, dass eher politische Erwägungen den Unterschied ausmachen: „Die in Tschechien engagierten internationalen Firmen bringen dem Euro ähnliche Sympathien entgegen wie jene in der Slowakei. Es sind vor allem die politischen Eliten, die anders denken“, sagt er.

Argumentieren ließen sich beide Ansätze gleichermaßen gut. Für den Euro spräche, dass Währungsschwankungen den Firmen des Nicht-Euro-Landes Tschechien Umrechnungsrisken und Währungsschwankungen bescheren würden. „Aber auch der Beitritt zur Eurozone ist mit Kosten verbunden, damit meine ich jetzt nicht nur die auch in der Slowakei kritisierten Ausgaben für Griechenland“, sagt Lobotka. Da die Wirtschaft in Tschechien schneller als in der Eurozone wachse, sei es ein Vorteil, mit Aufwertungen der Krone reagieren zu können, während die Slowakei ihr noch schnelleres Wachstum aufgrund der engen Fesseln des Euro mit erhöhtem Inflationsrisiko bezahle. Umgekehrt habe sich in der Krise die gegenüber dem Euro fallende Krone als Vorteil für den Export erwiesen, da sie sinkende Preise ausglich. „Der Euro bedeutet um eine Stufe weniger Freiheit in der nationalen Wirtschaftspolitik. Dafür schützt die Mitgliedschaft in einem starken Klub besser vor Währungsspekulationen. Da gilt es abzuwägen, was mehr bringt“, meint Lobotka.

Jeder zweite Tscheche für Euro

Dass sich die Slowaken für den ersten Weg und die Tschechen bisher für den zweiten Weg entschieden haben, hängt offenbar mit dem unterschiedlichen nationalen und wirtschaftspolitischen Selbstbewusstsein von Politikern und Zentralbankern zusammen, der sich nach Lobotka historisch erklären lässt: Die heutige Slowakei sei immer Teil eines größeren Ganzen gewesen, während die Tschechen schon lange auf ihre Selbstständigkeit gepocht hätten. Während in Tschechien daher bis heute über Vor- und Nachteile des Euro gestritten werde, habe es in der Slowakei keine wirkliche Diskussion gegeben, in der Zweifel am Beitritt zur Eurozone laut geworden wären. Erst jetzt, wo der 2009 erfolgte Beitritt zum vermeintlichen Hort der Finanzstabilität bedeutet, „die Zeche für weniger verantwortungsvolle Mitglieder zahlen zu müssen“, wie es die neue slowakische Premierministerin Iveta Radičová formuliert, gibt es auch in der Slowakei eine erste Ernüchterung. Der prinzipiell positiven Einstellung der Bevölkerung zum Euro tut das aber noch keinen Abbruch.

In Tschechien hingegen ist die Zustimmung zum Euro laut Umfragen zuletzt merklich gesunken: Ein Drittel ist schon dagegen, den Euro überhaupt einzuführen. Im Unterschied zur politischen Elite gibt es in der tschechischen Bevölkerung noch immer eine – wenn auch knapper werdende – absolute Mehrheit für den Eurobeitritt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2010)

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