Ex-Jugoslawien: Drei-Länder-Bahn vereint alte Gegner

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ExJugoslawien DreiLaenderBahn vereint alte(c) AP (FABIAN BIMMER)
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Mit einer Bündelung ihrer Kräfte hoffen die früheren Kriegsgegner zumindest den Gütertransport über die Schiene zu beschleunigen und so verlorenes Terrain im internationalen Frachtverkehr zurückzugewinnen.

Belgrad. Selbst anspruchslosen Eisenbahn-Liebhabern vergeht auf den Schienen im Südosten des Kontinents das sonst gern angestimmte Loblied auf die Langsamkeit. In sechs Stunden und mit einer Geschwindigkeit von 44,5 Kilometern pro Stunde rumpelt die Bahn von der serbischen Hauptstadt Belgrad in die 230 Kilometer entfernte Provinz-Metropole Niš, Verspätungen noch nicht eingerechnet. Selbst bei der Eröffnung der Strecke im Jahr 1884 kamen die Reisenden eine halbe Stunde schneller an ihr Ziel.

Neue Hoffnung auf schnelleren Transport versuchen nun die staatlichen Eisenbahnen der ex-jugoslawischen Bruderländer Kroatien, Serbien und Slowenien zu verbreiten. Mit einer Bündelung ihrer Kräfte hoffen die früheren Kriegsgegner zumindest den Gütertransport über die Schiene zu beschleunigen und so verlorenes Terrain im internationalen Frachtverkehr zurückzugewinnen. Die Folgen der Jugoslawien-Kriege in den 90er-Jahren haben den trostlosen Zustand der Eisenbahnen im früheren Jugoslawien noch verschlimmert. Seit Jahrzehnten wurde in veraltete Fuhr- und Waggon-Parks nicht mehr investiert.

Zum katastrophalen Zustand des Schienennetzes gesellen sich zeitraubende Zollabfertigungen und Lokomotivwechsel an den Grenzen. Einst war die Strecke Ljubljana–Zagreb–Belgrad fester Bestandteil der Fernverbindungen zwischen Deutschland und der Türkei. Nun währt die Fahrt von Sloweniens Hauptstadt Ljubljana nach Istanbul 60 bis 70 Stunden. Der internationale Fernverkehr macht um die Rumpelstrecke einen weiten Bogen: Nur noch ein Zehntel des Eisenbahnverkehrs von Mitteleuropa nach Istanbul wird über den „Europäischen Verkehrskorridor X“ abgewickelt.

Der Großteil des EU-Warentransports über die Schiene in die Türkei läuft über den „Korridor IV“ – durch Ungarn und Rumänien. Wenn es den neuen Partnern gelänge, die Fahrtzeit nach Istanbul auf 35 bis 40 Stunden zu verkürzen, könnte sich jede der beteiligten Eisenbahngesellschaften einen Zusatzverdienst von jährlich 50 Millionen Euro sichern, erklärt Serbiens Infrastrukturminister Milutin Mrkonjić.

Schnellere Grenzabfertigung

Von einer „historischen“ Unterschrift sprach der slowenische Transportminister Patrick Vlačič nach der Unterzeichnung des Abkommens zur Gründung einer trinationalen Eisenbahngesellschaft für den internationalen Gütertransport. Um die Kontakte zu mitteleuropäischen Kunden zu erleichtern, wird die noch namenlose Gesellschaft, die ab Oktober operationsfähig sein soll, beim EU-Mitglied Slowenien angesiedelt. Zunächst soll sich das Gemeinschaftsunternehmen um eine Optimierung des gemeinsamen Auftritts gegenüber den Kunden und die Beschleunigung der Grenzabfertigungen bemühen.

„Alleine können wir kaum mehr Güter auf die Schiene bringen, nur gemeinsam können wir die Kosten senken und die Transportzeiten beschleunigen“, erklärt Slobodan Rosić, Direktor der Serbischen Eisenbahnen.

Hoffen auf EU-Hilfen

Zwar hoffen die neuen Partner auch auf EU-Hilfen. Doch die immensen Investitionen in ihre veralteten Eisenbahnen haben die Partner-Staaten in erster Linie alleine zu stemmen. So plant Slowenien, in den nächsten fünf Jahren bis zu acht Milliarden Euro in den Ausbau seines Schienennetzes zu investieren. Während Kroatien noch über den besten Teil des Schienennetzes verfügt, sind in Serbien erhebliche Anstrengungen nötig.

Der Streckenabschnitt von Niš an die bulgarische Grenze ist noch nicht einmal elektrifiziert – und auch der Rest des Schienennetzes vom westeuropäischen Niveau weit entfernt: Auf 4,6 Milliarden Euro beziffert Serbien den Investitionsbedarf in seinem Abschnitt des „Korridor X“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2010)

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