Autozulieferer wählen Marokko statt Rumänien

(c) EPA (Robert Ghement)
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Mit Stundenlöhnen unter zwei Euro läuft Nordafrika den osteuropäischen Ländern langsam den Rang ab. Delphi eröffnet sein zweites Werk in Marokko. Vor allem Hersteller arbeitsintensiver Produkte drängen nach Afrika.

Wien (ag/red). Erst vor wenigen Jahren zogen Europas Autobauer zunehmend in Richtung Osteuropa. Mit ihnen siedelten auch hunderte Zulieferbetriebe in die Region. Doch während die meisten Autobauer bleiben, kehren viele Lieferanten dem Osten den Rücken und wandern nach Nordafrika ab.

Internationale Zulieferer wie Delphi und Lear aus den USA oder Sumitomo aus Japan haben sich dort längst breitgemacht und bauen weiter zu. Erst im Vorjahr eröffnete Delphi sein zweites Werk in Marokko. Vor allem Hersteller arbeitsintensiver Produkte wie Sitzbezüge oder Innenraumverkleidungen drängen nach Afrika. In den kommenden fünf bis sechs Jahren werde die Region mit Abstand die wettbewerbsfähigste sein, erwartet Klaus Probst, Chef von Europas größtem Kabelbaumspezialisten Leoni. Das deutsche Unternehmen hat in der Krise 6000 Mitarbeiter in Osteuropa ab- und in Nordafrika aufgebaut.

„Lieferzeiten sind ein Problem“

Für den Zulieferer hatte das einen einfachen Grund: Während in Polen und Ungarn die Lohnkosten rund vier bis sechs Euro und in der Ukraine bis knapp drei Euro pro Stunde betragen, liegen sie in Marokko, Tunesien und Ägypten bei unter zwei Euro. „Das macht bei 20.000 Menschen was aus“, sagt Probst. Auch westeuropäische Standorte stehen unter Druck. Als der Reifenhersteller Continental sein Werk im französischen Clairoix schloss, wogte eine Welle der Empörung durch die Belegschaft, weil die Firma anbot, die Beschäftigten könnten in Tunesien weiterarbeiten – für 140 Euro im Monat.

Die Produktion in Nordafrika bringt aber auch Probleme mit sich. „Die Lieferzeiten sind von Nordafrika aus sicher ein Nachteil“, räumt der Leoni-Chef ein. Nur wenn ein Autobauer seinem Lieferanten eine Frist von zehn Tagen zugestehe, könne man dort fertigen. Branchenüblich sind hingegen Lieferzeiten von bis zu drei Tagen, da Pkw-Hersteller ihren Kunden so lange wie möglich die Chance bieten wollen, die individuelle Ausstattung zu verändern. Lediglich Zulieferer von Renault sind im Vorteil. Der französische Autobauer fertigt als einer der wenigen Großen in Nordafrika. Bis 2012 soll ein zweites Dacia-Werk in Marokko entstehen. Ansonsten behelfen sich die Zulieferer mit einer stufenweisen Produktion. Die funktioniert so: Standardisierte Teile werden in Nordafrika gefertigt, die Endmontage erfolgt dann in Osteuropa – in der Nähe der Werke westlicher Autobauer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2010)

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