Zoltán Cséfalvay: "Hohe Steuerlasten sind tüchtigen Menschen nicht zuzumuten"

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Zoltán Cséfalvay, Staatssekretär im ungarischen Wirtschaftsministerium, spricht mit der "Presse" über die Notwendigkeit der umstrittenen Bankensteuer, die Flat Tax und den Versuch, eine Million Jobs zu schaffen.

Die Presse: Ungarns Regierung erhebt nun nach der Bankensteuer auch Sondersteuern für Handelsketten, Energie und Telekommunikation. Ist das wirklich zielführend?

Zoltán Cséfalvay: Die sozialistische Vorgängerregierung unter Gordon Bajnai hat uns im diesjährigen Budget ein Loch in Höhe von 500 Mrd. Forint (rund 1,8 Mrd. Euro) hinterlassen. Das Loch ist entstanden, weil sie die Steuereinnahmen viel zu hoch veranschlagt hat. Unsere Regierung musste daher sofort handeln, um das Loch zu stopfen. Dass sich die Banken und Handelsketten nicht über die Erhebung der Sondersteuer als Resultat der Sofortmaßnahmen freuen, kann ich verstehen. Doch sie nehmen auch wahr, dass die Regierung zahlreiche Schritte gesetzt hat, um das Wirtschaftsklima in Ungarn zu verbessern.

Was heißt das konkret?

Wir wollen einerseits die ausufernde Bürokratie eindämmen, andererseits die hohe Steuerlast reduzieren. Unser Ziel ist es, innerhalb von vier Jahren das beste Wirtschafts- und Geschäftsumfeld in Mittelosteuropa zu schaffen. Zu diesem Zweck haben wir bereits die Körperschaftssteuer auf zehn Prozent gesenkt, wovon derzeit über 90Prozent der Unternehmen profitieren. 2012 sollen schließlich alle Unternehmen in Ungarn in den Genuss einer zehnprozentigen Körperschaftssteuer kommen.

Werden Unternehmen von der Regierung Orbán bevorzugt?

Nein, wir wollen ab 1. Januar 2011 auch eine pauschale Einkommensteuer in Höhe von 16 Prozent einführen, wie schon andere osteuropäische Länder – ich denke hier an die Slowakei, Rumänien oder Bulgarien.

Warum ist das Konzept einer solchen Flat Tax in Osteuropa so beliebt?

Die Gründe dafür liegen wohl darin, dass in diesen Ländern 40 Jahre lang kommunistische Unterdrückungssysteme geherrscht haben, in denen Tugenden wie Talent, Fleiß und Arbeitsmoral nicht zur Entfaltung kommen konnten. Ich pflege den Kommunismus als Periode der brachliegenden Talente und verschwendeten Energien zu bezeichnen. Es kommt daher nicht von ungefähr, dass die Pauschalsteuer in dieser Region so beliebt ist. Wir sind der Meinung, dass hohe Steuerlasten den talentierten und tüchtigen Menschen in diesem Land nicht zuzumuten sind. Aus diesem Grund wollen wir ein System schaffen, in dem die Talentierten und Fleißigen nicht vom Staat gebremst werden. Die Flat Tax geht da in die richtige Richtung.

Warum ist die Steuer mit 16 Prozent so niedrig ausgefallen? Geht es da um den Standortwettbewerb mit anderen Ländern?

Wir sind vor allem der Überzeugung, dass ein niedriger Steuersatz nicht nur den Privatkonsum und die Investitionsfreudigkeit der Unternehmen erhöht, sondern auch die Schattenwirtschaft zurückdrängt. Unternehmer, die bisher keine Steuern gezahlt haben, werden sich bei niedrigen Steuern zweimal überlegen, ob sie das Risiko der Steuerhinterziehung eingehen. Nicht zuletzt deshalb, weil wir künftig rigoros gegen die Steuerflucht vorgehen wollen. Zudem schaffen wir damit ein einfacheres und überschaubares Steuersystem. Wir haben die Zahl der Steuerarten mittlerweile bereits von 58 auf 48 gesenkt.

Ihr Ministerium hat versprochen, innerhalb von zehn Jahren eine Million neuer Arbeitsplätze zu schaffen. Wie soll das gehen?

Es ist unser Ziel, dass auf Grundlage eines günstigen und stabilen Wirtschafts- und Geschäftsumfelds sowie niedriger Steuern massenweise neue Arbeitsplätze entstehen. Ich möchte betonen, dass diese nicht vom Staat geschaffen werden, sondern von den Unternehmen, in erster Linie von den kleinen und mittelständischen Betrieben. Derzeit steht Ungarn in Sachen Beschäftigung schlecht da: Die Beschäftigungsrate der 15- bis 64-Jährigen liegt bei 62Prozent, was im europäischen Vergleich einer der schlechtesten Werte ist. Wenn es heute nur 500.000 gemeldete Arbeitskräfte mehr gebe, wären sämtliche Probleme des ungarischen Haushalts gelöst. Es gilt generell, dass Länder mit einer hohen Beschäftigungsrate reich sind, beispielsweise Deutschland und Österreich. Als Gegenbeispiel könnte ich Ihnen zum Beispiel Griechenland nennen.

Benötigt Ungarn noch einen weiteren Kredit vom Internationalen Währungsfonds (IWF)?

Die gute Nachricht ist, dass Ungarn seine Staatsverschuldung seit dem Sommer 2009 über die Finanzmärkte finanzieren kann. Dies wurde auch vonseiten des IWF mit Freude begrüßt. Die Finanzierung der Staatsschulden über die Finanzmärkte zeigt auch, dass die Investoren und Anleger wieder Vertrauen in die ungarische Wirtschaft haben. Mit anderen Worten: Ungarische Staatsanleihen werden bereits wieder gekauft.

Was sind die wirtschaftspolitischen Vorstellungen der Regierung Orbán?

Die Wirtschaftspolitik der Regierung gründet auf drei Pfeilern. Erstens: Wir wollen das Haushaltsdefizit dauerhaft niedrig halten. Darum haben wir uns verpflichtet, heuer ein Budgetdefizit in Höhe von 3,8Prozent und im nächsten Jahr eines unter drei Prozent des BIPs zu erreichen. Ein niedriges Haushaltsdefizit stärkt die Wettbewerbsfähigkeit des Landes. Der zweite Pfeiler ist die Verbesserung der Geschäfts- und Marktbedingungen, der dritte Pfeiler ist der sogenannte Széchenyi-Plan.

Worum geht es dabei?

Wir wollen den Fokus auf bestimmte Wirtschaftssektoren richten und die Gelder aus der EU dorthin bündeln. Ich denke an den Energiesektor, Forschung und Entwicklung, den Wohnungsbau oder die Gesundheitsindustrie. Wir wollen Wirtschaftssektoren unterstützen, die für Ungarn einen Wettbewerbsvorteil bedeuten. Angesichts unserer üppig fließenden Thermalquellen ist die Gesundheitsindustrie auf jeden Fall so ein Sektor. Auch die Investoren wollen wissen, welche Wirtschaftssektoren für den Staat große Bedeutung haben.

Auf einen Blick

Zoltán Cséfalvay ist Staatssekretär im ungarischen Wirtschaftsministerium. Schon zuvor war der Universitätsprofessor in Budapest Berater der Ungarischen Nationalbank.

Er ist verantwortlich für die neue Wirtschaftsstrategie der Regierung Orbán und setzt vor allem auf Investitionen und eine Förderung des Mittelstands. [Archiv]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.11.2010)

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