Polen: Bildung statt Billiglohn

Polen Bildung statt Billiglohn
Polen Bildung statt Billiglohn(c) AP (Frank Hormann)
  • Drucken

Sonderwirtschaftszonen locken mit Steuererleichterungen - in Polen wurden bis Ende 2010 bereits 17 Mrd. Euro so investiert. Der Trend geht zu hoch qualifizierten Tätigkeiten - denn Polen ist kein Niedriglohnland mehr.

Warschau/N-ost. Bei Opel in Gleiwitz rollen täglich rund 500 Autos vom Band – Tendenz steigend. Das GM-Tochterunternehmen schätzt den Standort in Südpolen. Es lässt dort den neuen Astra fertigen, auch beim geplanten Cabriomodell bekommt das polnische Werk mit seinen gut 3000 Mitarbeitern den Vorzug vor Bochum. „Ein Arbeiter bei uns verdient im Schnitt 4100 Złoty monatlich“, sagt ein Vertreter der Solidarność-Gewerkschaft. Umgerechnet gut 1000 Euro.

Opel profitiert aber nicht nur von den relativ niedrigen Einkommen in Polen, sondern auch von den Steuervorteilen. Der Autobauer ist mit seiner Fabrik seit 1999 in der größten der 14 polnischen Sonderwirtschaftszonen ansässig – in Kattowitz. Zu dieser Zone gehört das Werk in Gleiwitz. „Ganz Polen wird eine Sonderwirtschaftszone“ – titelte einst eine polnische Tageszeitung. Die in den 1990er-Jahren gegründeten Gebiete, die nach außen mit Schranken und Zäunen gekennzeichnet sind, breiten sich wie ein Fleckerlteppich übers Land aus. „Es kommt vor, dass ein Unternehmen sich ein Gebiet aussucht, und dieses wird dann in eine Sonderwirtschaftszone eingegliedert“, sagt Wirtschaftsgeograf Maciej Smętkowski vom Zentrum Europäischer Regional- und Lokalstudien.

Löhne in zehn Jahren verdoppelt

Die wirtschaftliche Bedeutung ist beträchtlich: Bis Ende 2010 sind etwa 17 Mrd. Euro in die Zonen investiert worden, mehr als 160.000 Menschen arbeiten in den Gebieten. Noch bis Ende 2020 wird die Aussicht locken, über Jahre hinweg keine Körperschafts- oder Einkommenssteuern zahlen zu müssen. Weil die Einkommen immer weiter steigen, sind die niedrigen Steuern für viele Firmen der Hauptgrund, überhaupt noch in Polen zu fertigen. Im Februar 2011 betrug das durchschnittliche Bruttoeinkommen 3420 Polnische Zloty, umgerechnet 850 Euro. Binnen zehn Jahren haben sich die Einkommen verdoppelt, bei Hochqualifizierten nähern sich die Einkommen westlichen Niveaus noch schneller an.

Doch etliche Sonderwirtschaftszonen machen nicht den Eindruck, dass sie sich halten werden, wenn 2020 die staatliche Förderung ausläuft. In Katowice beispielsweise sehen die Fabriken teils noch provisorisch aus. Manche haben nicht einmal Parkplätze für die Mitarbeiter. Das Gros sind Fertigungsstätten, die so gut wie alles herstellen: hochwertige High-Tech-Erzeugnisse, Zubehör für die Autoindustrie, sanitäre Anlagen. „Wir konkurrieren mit anderen Ländern und können es uns nicht leisten, einen Investor, der eine weniger qualifizierte Produktion aufbauen will, abzuweisen“, sagt Andrzej Pasek, Vizechef der Wirtschaftszone Katowice. „Opel war eben ein Glücksfall.“

Billigkonkurrenz aus der Ukraine

Doch immer mehr Zonen wollen ihr Image als Billigproduzenten für alles loswerden. Denn wenn die Löhne in Polen weiter steigen, könnten bald noch mehr Investoren in die benachbarte Ukraine oder andere Länder abziehen, wo sie nur einen Bruchteil an Arbeitskosten zahlen. Einige polnische Zonen setzen deshalb nun vermehrt auf Forschung und Entwicklung als neuen Wettbewerbsvorteil. In der Nähe vieler Sonderwirtschaftszonen schießen sogenannte Industrie- und Technologieparks aus dem Boden. Ziel ist es, den Wissenstransfer zwischen innovativen Unternehmen zu fördern, Start-ups mit günstigen Konditionen zu locken und stärker auf neue Technologien zu setzen.

Die Zahl jener Unternehmen, die jenseits niedriger Einkommen investieren, produzieren und forschen, wächst in Polen. Damit steigt die Zahl von Hochqualifizierten, die entsprechende Einkommen erzielen – parallel zu den Sonderwirtschaftszonen-Steueroasen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.04.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.