In Ungarn spitzt sich die Lage dramatisch zu. Alle großen Ratingagenturen bewerten die Bonität des Landes mit „Ramschniveau“. Die heimischen Institute haben in Ungarn Kredite von 31,85 Mrd. Euro ausständig.
Wien/Höll. In Ungarn spitzt sich die Lage dramatisch zu. Am Freitag senkte auch die Agentur Fitch den Daumen. Nun bewerten alle großen Ratingagenturen die Bonität des Landes mit „Ramschniveau“. Premierminister Viktor Orban traf sich mit den Spitzen des Staates im Parlament zu einer Krisensitzung. Auch der Chef der Budapester Nationalbank, Andreas Simon, war gekommen.
Das osteuropäische Land ist dringend auf Finanzspritzen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Union angewiesen. Doch diese brachen die Verhandlungen ab, weil die Budapester Regierung zu Jahresbeginn ein Gesetz verabschiedete, das die Unabhängigkeit der Notenbank einschränkt. Die Landeswährung Forint stürzte auf ein Rekordtief. Gleichzeitig erreichten die Prämien für Kreditausfallsversicherungen auf Staatsanleihen Höchststände.
Rekordzinsen für Anleihen
Doch Orban bleibt stur: Nach der Krisensitzung erklärte er, die Regierung strebe eine rasche Einigung mit dem IWF und der EU an. Eine Änderung des umstrittenen Notenbank-Gesetzes komme für ihn aber nicht in Frage. Bei einer Auktion am Donnerstag konnte Ungarn nur einen Teil seiner einjährigen Anleihen verkaufen, obwohl der Zinssatz bei knapp zehn Prozent lag.
Griechenland, Irland und Portugal waren schon bei sieben Prozent gezwungen, unter den EU-Rettungsschirm zu schlüpfen. „Die Märkte sind ziemlich nervös. Sie preisen ein, dass Ungarn keine Finanzhilfen bekommen wird“, sagt Michal Dybula, Analyst von BNP Paribas. Seinen Berechnungen zufolge braucht das osteuropäische Land 15 bis 20 Mrd. Euro.
Sorge um Österreichs Banken
Auch Österreich gerät mittlerweile in den Sog der Ungarn-Krise. Die Renditen für kurzfristige Staatsanleihen stiegen am Donnerstag um zehn Prozent. Für zehnjährige Papiere muss Österreich 3,396 Prozent zahlen. Zum Vergleich: Deutsche Anleihen notierten bei 1,879 Prozent.
Kommenden Dienstag will die Wiener Bundesfinanzierungsagentur rund 1,3 Mrd. Euro am Kapitalmarkt aufnehmen. Emittiert werden Anleihen mit einer Laufzeit von vier und zehn Jahren.
Österreichs Banken wie Erste Group, Bank Austria, Raiffeisen Bank International und Volksbanken AG haben in Ungarn Kredite von 41 Mrd. US-Dollar (31,85 Mrd. Euro) ausständig. Auf Platz zwei liegen italienische Finanzkonzerne mit 23,39 Mrd. Dollar, dann folgen deutsche Institute mit 21,39 Mrd. Dollar. Viele Ungarn können schon jetzt die Darlehen nicht mehr bedienen.
Die Berenberg-Bank meint, dass Österreich bei einer Pleite Ungarns die Topbonität verlieren könnte. Bei einer Verschlechterung des Ratings muss der Bund jährlich drei Mrd. Euro mehr an Zinsen zahlen, wie jüngst Außenminister und ÖVP-Chef Michael Spindelegger erklärte.
Spindelegger fordert, dass sich Ungarn im Streit um die Nationalbank an EU-Normen hält. Orban verbittet sich allerdings jede Einmischung von außen. Seinen Angaben zufolge garantiere das neue Gesetz die Unabhängigkeit des Instituts. Der IWF, die EU und die EZB sehen das anders. Denn die neuen Bestimmungen sehen vor, dass die Nationalbank und die Finanzmarktaufsicht zu einer Behörde zusammengelegt und deren wichtigste Vertreter von der Regierung nominieren werden sollen. So kann sich Orban weitreichende Durchgriffsrechte auf die Notenbank sichern – und damit auf die Zinspolitik und die Währungsreserven. Laut EU-Vertrag müssen alle Mitgliedsländer die Unabhängigkeit der Notenbank gewährleisten. Orban hatte in der Vergangenheit mehrmals den Rücktritt von Bankchef Simor verlangt und dessen Zinspolitik scharf kritisiert.
Notenbank soll Anleihen kaufen
Am Freitag forderte der Regierungschef die Budapester Notenbank auf, jene Mittel zu aktivieren, die auch in den USA und in der EU zur Ankurbelung des Wachstums angewendet werden. Weitere Details verriet er nicht. Doch er dürfte gemeint haben, dass die Währungshüter ungarische Staatsanleihen aufkaufen sollen.