Umdenken: Slowakei fürchtet Billig-Löhne

Die neue Regierung will das Land im Eilverfahren von "verlängerter Werkbank" auf "wissensbasierte Ökonomie" umpolen.

Pressburg. "Die Fabrikshallen der Autoindustrie können einmal leer stehen, wenn die Produktion in Länder mit niedrigeren Löhnen weiterwandert", sagt der neue Wirtschaftsminister L'ubom­r Jahn¡tek im Gespräch mit der "Presse". Mit diesem Schreckensbild - die Slowakei ist in den letzten Jahren ja zum größten Auto-Standort Europas aufgestiegen - skizziert er die Konsequenzen steigender Kosten auch in der Slowakei.

Laut EU-Kommission wuchsen die Lohnkosten im ersten Halbjahr 2006 in der Slowakei um 7,5 Prozent. Das ist hinter den drei baltischen Staaten die vierthöchste Lohnsteigerung in Europa. In Folge hat etwa die deutsche Auto-Zulieferfirma Dräxlmaier eine schon vereinbarte Investition in der südslowakischen Kleinstadt Rimavska Sobota abgeblasen, um sie stattdessen in Rumänien zu tätigen. Kurz darauf gab die US-Firma Samsonite bekannt, ihr seit Jahren bestehendes Werk Samorin bei Pressburg zu schließen und die Produktion nach China zu verlegen. Als Draufgabe verlor die Slowakei im Sommer den Standortwettlauf um ein Autowerk von Hyundai gegen Tschechien und um eine Computerfabrik von Dell gegen Polen.

Auch wenn die abgesagte Investition von Dräxlmaier im Umfang viel geringer war als die großen Automobil-Investitionen, die neu ins Land geholt wurden, war die psychologische Wirkung enorm.

Dass die Nationalbank bereits darauf hingewiesen hatte, dass die Auslandsinvestitionen seit drei Jahren rückläufig seien, war noch in Ökonomenkreisen versickert. Dass Samsonite einfach weiterwanderte, wirkte aber als Schock. Als Oppositionschef hatte der nunmehrige Ministerpräsident Robert Fico die Regierungspolitik noch damit kritisiert, dass "die ausländischen Investoren nicht wegen irgendwelcher Reformen zu uns kommen, sondern weil wir die niedrigsten Löhne Europas haben." Nun hat aber seine seit Juli amtierende Linksregierung so ziemlich alle Maßnahmen der konservativ-liberalen Vorgänger ins eigene Regierungsprogramm übernommen.

Übernommen wurde auch der früher "Minerva" genannte Plan, mehr in die Wissensgesellschaft zu investieren. In der Praxis zeigte sich freilich, dass es wählerwirksamer war, mit riesigen Subventions-Versprechungen den Standortwettlauf um das Kia-Autowerk gegen die harte Konkurrenz der Nachbarländer mit ihren fast genauso niedrigen Löhnen zu gewinnen und konkret entstehende Arbeitsplätze in der Fabrik vorzeigen zu können - anstatt vage von Zukunftsinvestitionen zu reden.

Nun soll die Slowakei im Eilverfahren von der "verlängerten Werkbank" auf eine "wissensbasierte Ökonomie" umgepolt werden - auch wenn die Rezepte dafür noch vage klingen. Am konkretesten ist der Ansatz des Wirtschaftsministeriums, die Schaffung qualifizierter Arbeitsplätze höher zu subventionieren als reine Produktions-Arbeitsplätze.

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