Wer Werbung schaut, fährt gratis Bus

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Symbolbild.(c) FABRY Clemens
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Vier Spots in Folge, in Summe 80 Sekunden: So viel Lebenszeit muss man in Düsseldorf für eine kostenlose Öffi-Fahrt opfern. Eine neue App macht es möglich.

Wien. Was kostet die Zeit? Folgt man dem Kalkül der Verkehrsbetriebe in Düsseldorf, kommt man für 80 Sekunden auf einen monetären Wert von 2,60 Euro. So viel kostet nämlich eine Einzelfahrkarte für Bus oder Straßenbahn im städtischen Kernbereich. Sie ist auch übers Smartphone erhältlich. Und die Kunden können sich den Betrag neuerdings sparen, wenn sie dort Werbevideos über sich ergehen lassen: Wer vier Spots à 20 Sekunden von Anfang bis Ende abspielt, dem winkt als Belohnung für die Geduld ein digitales Ticket.

Freundlicherweise dürfen die Öffi-Fahrer die Spots sogar vorher aus einer Liste auswählen. Genauer: Sie müssen. Damit werden sie gezwungen, sich zumindest kurz mit den werbenden Firmen zu befassen. Denn ob sie die Spots dann wirklich ansehen und anhören, wird natürlich nicht kontrolliert. Aber wer weiß: Falls es technisch möglich sein sollte, mag das ja vielleicht auch noch kommen.

Starker Zuspruch

Möglich macht die Aktion die App „Welect Go“. Dahinter stehen zwei findige Werber, die ihre Idee der Rheinbahn im Februar vorstellten. Sie rechneten weder mit der begeisterten Reaktion der öffentlichen Verkehrsbetriebe noch mit der raschen Umsetzung. Und schon gar nicht mit dem extrem regen Zuspruch der Nutzer: In nur fünf Tagen haben die Düsseldorfer schon mehr als 10.000 Gratisfahrscheine eingelöst. Das war das Kontingent, das eigentlich bis Jahresende halten sollte. Denn die Spots von sechs großen Unternehmen sollen nicht beliebig oft aufgerufen werden – jede einzelne Schaltung wäre dann immer weniger wert. Also sollen die Werbekunden jetzt ein größeres Budget bereitstellen, neue Partner mit neuen Spots sollen dazukommen.

Der Erfolg macht auch andere Kommunen hellhörig: Drei deutsche Städte und zwei in den nahen Niederlanden haben schon ihr Interesse angemeldet. Bis Jahresende läuft jedenfalls noch die Testphase in Düsseldorf. Übrigens: Persönliche Daten müssen die Nutzer auch abliefern – wie Name, E-Mail-Adresse, Geburtsdatum. Und auf diese Daten haben die Werbepartner Zugriff, wenn auch nur in anonymisierter Form. Vorerst. (red)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2016)


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