Deutschland: Gemeinschaft soll die "Ich-AG" ersetzen

Deutschland zieht gegen die "Miesepeter-Stimmung" im Land zu Felde.

WIEN. Vielleicht hat das Raunzen in Österreich ja mehr Tradition: Denn bereits im Sommer 2002 erklärte die International Advertising Association (IAA) unsere Heimat zur "Nichtraunzer-Zone" und versetzte den Österreichern heuer mit dem "Hätti-wari" einen weiteren Tritt in den kollektiven Allerwertesten. Unsere deutschen Nachbarn mussten erst in eine mittelschwere Wirtschaftskrise schlittern, um zu ähnlichen Maßnahmen zu greifen. Aber nun ist anscheinend auch dort Schluss mit grantig.

"Du bist Deutschland" ist der Claim einer Kampagne, die seit Montag in deutschen Medien läuft. Die "politisch unabhängige und überparteiliche Aktion" wird von 25 Medienunternehmen getragen, darunter der Axel Springer Verlag, die ARD, Burda, Premiere, Pro7/Sat1, der "Spiegel" oder auch die WAZ. Unentgeltlich stellen sie ein Mediavolumen im Wert von 30 Millionen Euro zur Verfügung.

"Wir reden uns selbst schlecht", ist für Bernd Kundrun, Vorstandschef bei Gruner+Jahr, Grund für die Initiative. Peter Frey, Leiter des ZDF-Hauptstadtbüros Berlin, ergänzt: "Wir wollen die Menschen motivieren, ihr Selbstbewusstsein stärken und jeden Einzelnen daran erinnern, dass sein Beitrag für dieses Land wichtig ist." Deutschland wendet sich also wieder ab von der Egozentrik der "Ich AG", will ein neues Gemeinschaftsgefühl schaffen.

Umsetzung und Gestaltung der Kampagne "Du bist Deutschland" wurden größtenteils von der Bertelsmann AG gemeinsam mit den Werbeagenturen Jung von Matt/Alster (Kreation) und kempertrautmann (strategische Kampagnenentwicklung) besorgt. Mit der Organisation der Aktion hat man Ex-Bertelsmann-Kommunikationschef Bernd Bauer betraut.

Neben Anzeigen- und Plakatwerbung sowie einer Online-Plattform umfasst die Kampagne auch TV-Spots, deren Protagonisten gut 30 deutsche Prominente sind, die honorarfrei werben: Unter anderem wollen National-Torhüter Oliver Kahn, Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki, Talk-Ikone Harald Schmidt und Ex-Eisprinzessin Katarina Witt deutsche Miesepeter umpolen.

Und sprechen dabei Texte wie diesen: "Dein Wille ist wie Feuer unterm Hintern. Er lässt deinen Lieblingsstürmer schneller laufen und Schumi schneller fahren. Egal, wo du arbeitest. Egal, welche Position du hast. Du hältst den Laden zusammen. Du bist der Laden. Du bist Deutschland." Jörg Blumtritt, Marketing-Leiter eines Münchner TV-Senders, wähnt seine Nation noch steigerungsfähig: "Nachdem ich laut ,Bild' schon Papst bin, freue ich mich jetzt, Deutschland zu sein - und nächstes Jahr werde ich dann Weltmeister."

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