Österreich drängt Ältere zu früh aus Arbeitsprozess

Elderly woman walks on stick along shopping street in Berlin
Elderly woman walks on stick along shopping street in BerlinREUTERS
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Pensionsexperte Schuh kritisiert eine lange überholte Sichtweise. Einen Zusammenhang von Länger Arbeiten und Jugendarbeitslosigkeit bezweifelt er.

Pensionsexperte Ulrich Schuh, Leiter des EcoAustria Wirtschaftsforschungsinstituts, kritisiert, dass ältere Menschen in Österreich auch heute noch zu früh aus dem Arbeitsprozess "gelockt oder gedrängt" werden, obwohl dies Ausdruck einer längst überholten Sichtweise sei: "Das stammt noch aus der Zeit als man dachte, man kann Arbeitsmarktprobleme mit dem Pensionssystem lösen", meinte der Experte beim Raiffeisen Pensionssymposium in Barcelona.

Arbeitsmarktreformen, die den Zugang zu einem vorzeitigen Rentenantritt erschweren, müssen nicht die Arbeitslosigkeit junger Menschen erhöhen, weist Schuh ein oft gehörtes Argument gegen ein längeres Arbeiten zurück. Dass es auch anders gehe, habe Deutschland gezeigt: Dort sei die Erwerbsquote 60- bis 64-Jähriger seit 2001 von 22 1/2 auf 47 1/2 Prozent gestiegen - in Österreich nur von 12 1/2 auf 21 Prozent -, und in Deutschland habe die Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen stagniert und insgesamt sei sie sogar gesunken.

Vorbild Spanien

Kritikern an dem vor einer Woche von vier Experten, darunter neben Schuh auch Bernd Marin, vorgestellten Pensionsreform-Modell hielt der EcoAustria-Leiter entgegen, es werde offenbar noch einige Zeit dauern, bis man draufkomme, dass man nur das verteilen könne, was vorhanden sei. Gerade die laufenden Reformen im spanischen Rentensystem "mit tiefen Eingriffen in kurzer Zeit sollten uns zu denken geben", warnte er.

Grundprinzip des Experten-Modells ist, dass auf einem Konto die Beiträge eingezahlt und real verzinst werden. Die Pension errechnet sich dann aus der angehäuften Summe dividiert durch die durchschnittliche (Rest-)Lebenserwartung. Wann man die Pension antritt, bleibt jedem selbst überlassen - je nachdem mit wie viel man zufrieden ist. Hier hatte SP-Sozialminister Rudolf Hundstorfer eingehakt und im Radio gemeint, für die Fachleute sei das "Thema Altersarmut" offenbar ein "Fremdwort". Auch von Gewerkschaftsbund und AK hagelte es Kritik.

Karmasin sieht noch viel Aufklärungsbedarf

Laut Sophie Karmasin, Chefin des gleichnamigen Motivforschungsinstituts, verschwimmen in der Bevölkerung zum Thema Altersvorsorge die Unterschiede zwischen Sparbüchern oder Wertpapieren und einer Lebensversicherung. Wirklich differenzieren könne hier nur mehr rund ein Drittel, sagte die Expertin in Barcelona bei der Präsentation des neuen Raiffeisen Vorsorgebarometers 2012. Bei der Lebensversicherung werde primär die Höhe der Rendite und der Steuervorteil positiv gesehen, beim Sparbuch vor allem die Sicherheit.

Für die Assekuranz gebe es noch ziemliches Aufklärungs-Potenzial, so Karmasin, denn im Zusammenhang mit "privater Pensionsvorsorge" würden zwar drei Viertel das Sparbuch nennen und 60 Prozent Bausparen, aber lediglich 41 Prozent eine Lebensversicherung.

Zu denken geben müsse, dass zwei Drittel der Jungen sagten, dass ihnen die staatliche Pension voraussichtlich nicht reichen werde, meinte Karmasin. Raiffeisen-Versicherung-Chef Klaus Pekarek sagte dazu, die Notwendigkeit privat vorzusorgen, werde künftig "dramatisch zunehmen", und es sei damit zu rechnen, dass es vermehrt zu Konsumverzicht bzw. zu "Konsumverschiebungen" der Menschen in die Pensionszeit hinein kommen werde.

(APA)

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