Gemeindefinanzierung: „Finanzausgleich belohnt Ineffizienz“

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Experten mahnen eine umfassende Reform des Finanzausgleichs zwischen Bund, Ländern und Gemeinden ein. Vom Finanzministerium und Gemeindebund beauftragte Reformstudien wurden „schubladisiert“.

Wien/ju. Der Finanzausgleich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden ist intransparent, belohnt Ineffizienz und schlechtes Wirtschaften und ist dringend reformbedürftig, sagen mit der Materie befasste Experten.

Ganz neu ist diese Erkenntnis nicht: Schon im Vorjahr haben Experten heimischer Institute (unter anderem Wifo, IHS, Ecoaustria, KDZ, TU Wien) im Auftrag des Finanzministeriums und des Gemeindebundes mehrere Studien mit Lösungsvorschlägen vorgelegt. Geschehen ist seither freilich absolut nichts. Speziell die Länder könne ja mit der derzeitigen Aufgabenteilung – der Bund treibt das Geld ein, die Länder geben es unbeschwert aus – recht gut leben.

Die Experten, deren Arbeit seit Monaten im Finanzministerium verschimmelt, schlagen nun Alarm: In einer gemeinsamen Präsentation legten sie ihre Studien am Donnerstag noch einmal der Öffentlichkeit vor, in der Ausgabe 12/2012 der Wifo-Monatsberichte wurden Zusammenfassungen der Werke veröffentlicht.

Der Hintergrund: Ende 2014 läuft der aktuelle Finanzausgleich aus. Die Verhandlungen darüber werden bald beginnen. Und sie werden wohl auf Basis der alten, Ineffizienz und Intransparenz fördernden Regeln ablaufen. Denn eine umfassende Strukturreform wird bis dahin nicht möglich sein.

Losgelöst von Verhandlungen

Wifo-Vizechefin Margit Schratzenstaller sprach sich freilich ohnehin dafür aus, Gespräche über eine Reform von aktuellen Finanzausgleichsverhandlungen, bei der es darum geht, möglichst viel Geld für die eigene Gebietskörperschaft herauszureißen, zu entkoppeln.
Die wichtigste Forderung der Experten: Aufgaben und Verantwortung müssten klar verteilt werden, die verworrenen und unübersichtlichen Transferströme seien zu entflechten.

Konkret heißt das mehr finanzielle Autonomie für Länder und Gemeinden. Diese sollten künftig mehr Steuern selbst einheben, ihren Bürgern gegenüber aber auch für deren Verwendung geradestehen. Das würde zu Steuerwettbewerb unter den Gemeinden führen. Die Experten könnten sich unter anderem eine am Marktwert orientierte und somit deutlich höhere Grundsteuer und „kommunale Zuschlagsrechte bei der Einkommensteuer“ vorstellen, die aber aufseiten des Bundes kompensiert werden müssten, damit keine höhere Gesamtsteuerbelastung heraus kommt.

Steuer auf Alkoholkonsum

Anfreunden könnten sich die Experten auch mit Zweitwohnsitzabgaben (wie es sie in zwei Bundesländern schon gibt), einem Ausbau der Kommunalsteuer und einer „Besteuerung von Alkoholkonsum in der Gemeinde eventuell in Verbindung mit einer Vergnügungssteuerpflicht“. Auch die Einhebung eines „Gemeinde-Infrastrukturbeitrags von Unternehmen und privaten Haushalten“ würden die Experten für charmant halten. Damit könnten Einrichtungen finanziert werden, die nicht über bestehende Gebühren oder Beiträge abgedeckt sind. Unter dem Strich käme da wohl wieder eine beträchtlich höhere Gesamtsteuerbelastung zustande, Steuerzahler würden von der Effizienzsteigerung also wenig merken.

Stillstand bei Gemeindefusionen

Wenig Bewegung gibt es bisher auch bei einer weiteren Expertenforderung, der Schaffung von wirtschaftlich vernünftigen Gemeindegrößen. Da läuft die Entwicklung sogar in die Gegenrichtung: Durch das System der Bedarfszuweisungen werde „Kleinheit subventioniert“. Demgemäß habe es seit Anfang der Neunzigerjahre nur drei Gemeindefusionen gegeben – aber 58 Gemeindetrennungen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.01.2013)

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