600 Milliarden Euro für Ökostrom: Teure „Massenhysterie“

Milliarden Euro fuer oekostrom
Milliarden Euro fuer oekostrom(c) APA (Helmut Fohringer)
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Die überhastete Energiewende verteuert nicht nur die Energie für den Kunden, warnt Walter Boltz. Der Standort Europa sei in Gefahr.

Wien/Auer. 600 Milliarden Euro haben Europas Bürger von 2004 bis 2012 für die Förderung von erneuerbaren Energiequellen bezahlt. Die ganze Welt, so die Hoffnung der Politiker, sollte dem Beispiel Europas folgen und so die drohende Klimakatastrophe verhindern helfen. Die Realität sieht anders aus: Die restlichen Staaten zeigten sich von den Klimaplänen der EU denkbar unbeeindruckt, der Energieverbrauch auf dem Kontinent stieg, ebenso die CO2-Intensität der Wirtschaft. Just der „Klimakiller“ Kohle erlebt eine Renaissance in Europa.

Die Subventionen für Energie seien zu hoch und falsch, kritisierte der heimische Energieregulator Walter Boltz am Montag im Wiener Klub der Wirtschaftspublizisten. Das Tempo, mit dem Europa die Energiewende vorantreibe, sei zu hoch. Die massiven Förderungen „produzieren haufenweise Fehlinvestitionen“. Grund dafür: Viele Annahmen, die dieser Politik zugrunde liegen, hätten sich nicht bewahrheitet. Europa hat seine Strahlkraft als globales Ökovorbild überschätzt, ob die Klimakatastrophe wirklich kommt, ist längst nicht ausgemacht, und das erwartete Ende der fossilen Energieträger ist mit dem Schiefergasboom in den USA in weite Ferne gerückt.

Förderung ist um 30Prozent zu teuer

Das hat Folgen, warnt Boltz. In Europa würde nicht nur die Energie durch Umlagen unnötig verteuert, auch die Konkurrenzfähigkeit des Kontinents stehe an der Kippe. Denn in vielen Erdteilen seien Strom und Gas deutlich billiger zu haben als in Europa. Die energieintensive Industrie werde sich hüten, in Europa frisches Geld zu investieren. Es sei an der Zeit, sich zu überlegen, ob man das wirklich wolle. Bei der Ökostrom-Subventionierung in Europa ortet Boltz eine Art „Massenhysterie“. Er plädiert für eine Harmonisierung der Förderregimes in der Union.

Würden Subventionen nur noch an Kraftwerke an den besten Standorten vergeben, könnte sich der Kontinent auf einen Schlag bis zu 30Prozent der Ökostrom-Förderkosten sparen.

Auch Erdgas wäre deutlich billiger zu haben, wenn in der EU endlich ein gemeinsamer Markt entstünde. Mit den USA könne man beim Gaspreis aber auch dann nicht mithalten, wenn ganz Europa plötzlich nach Schiefergas bohren würde. Denn hierzulande liegt der begehrte Rohstoff etwa doppelt so tief in der Erde wie in Texas.

Boltz fordert eine globale CO2-Steuer

Auch in der Klimapolitik macht sich der Regulator für ein Umdenken stark. Den Handel mit CO2-Zertifikaten in Europa hält er für gescheitert. Erst vergangene Woche hat sich das EU-Parlament geweigert, CO2-Zertifikate aus dem Markt zu nehmen, um den Preis zu stützen und wieder mehr Anreiz zu schaffen, dass Unternehmen in umweltfreundliche Technologien investieren.

Der bessere Weg sei in seinen Augen eine globale CO2-Steuer. Hier reiche es schon, wenn sich Europa mit den USA und Japan einigen könnte, diese Abgabe einzuführen. Produkte aus anderen Ländern würden beim Import mit CO2-Zöllen belegt. Das sei vergleichsweise leicht machbar.

Auf einen Blick

Die Energiewende in Europa läuft aus dem Ruder, warnt E-Control-Chef Walter Boltz. Obwohl seit Jahren hunderte Milliarden in die Förderung von Ökostrom investiert wurden, seien die positiven Effekte überschaubar. Strom werde künstlich verteuert, die Wettbewerbsfähigkeit des Kontinents leide.

Er plädiert für einen Kurswechsel. Nationale Subventionen für Ökostrom sollten vereinheitlicht und der gemeinsame europäische Gasmarkt endlich realisiert werden. Den gescheiterten CO2-Handel könne Europa durch eine Steuer ersetzen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2013)

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