Kartell: Voest kauft sich reine Weste

Kartell Voest kauft sich
Kartell Voest kauft sich(c) EPA
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Die Voestalpine bezahlt der Deutschen Bahn Millionen Euro Schadenersatz wegen illegaler Preisabsprachen. Und erntet hymnisches Lob ihrer Opfer.

[Linz/Wien/Auer] So viel Lob gibt es auch für die reuigsten Kartellsünder nur selten. Jahrelang hat der österreichische Stahlkocher Voestalpine gemeinsam mit deutschen Branchenkollegen die Preise für Schienen und Weichen abgesprochen und ihrem Hauptkunden, der Deutschen Bahn, hunderte Millionen Euro zu viel verrechnet. Etliche Millionen davon bezahlt der Stahlkocher nun zurück – und wird von den Geschädigten dafür fast hymnisch gefeiert.

Die Vereinbarung zeige, dass sich das „Unternehmen seiner Verantwortung stelle und Worten auch Taten folgen lasse“, streute Gerd Becht, Vorstand der Deutschen Bahn, dem heimischen Unternehmen am Montag Rosen. Viel wichtiger war ihm wohl der Nachsatz: „Andere sind hier nicht so weit.“

Thyssen-Krupp als Rädelsführer


Der Seitenhieb galt Thyssen-Krupp, dem wohl gewichtigsten Mitglied im Kartell der „Schienenfreunde“. Es ist dieser Konzern, den Bahn und Bundesregierung aus der Reserve locken wollen. Anders als die Voestalpine spielt das angeschlagene Unternehmen aus Essen auf Zeit und denkt nicht daran, Schadenersatz zu bezahlen.
Auf der Strecke droht dabei der deutsche Steuerzahler zu bleiben. Denn der Großteil der Schienen und Weichen hat die Deutsche Bahn mit öffentlichen Mitteln bezahlt. Und der Bund ist es auch, der sich auf den Löwenanteil des Schadenersatzes freuen kann.

Ganz unlogisch ist die Zurückhaltung von Thyssen-Krupp allerdings nicht. Das Unternehmen wird als Rädelsführer im Kartell betrachtet und müsste demnach den größten Teil der 550 Millionen Euro an Schadenersatz plus 300 Millionen Euro an Zinsen, die die Deutsche Bahn beim Frankfurter Gericht eingeklagt hat, schultern. Dabei steht der deutsche Stahlkocher schon jetzt alles andere als gut da.

Das Linzer Stahlunternehmen Voestalpine kommt vergleichsweise glimpflich davon. Die „Süddeutsche Zeitung“ will erfahren haben, dass sich das Unternehmen mit der Bahn auf rund 50 Millionen Euro Schadenersatz geeinigt habe. Bestätigen wollte diese Summe am Montag allerdings niemand. Nur so viel: Es handle sich um einen „hohen zweistelligen Millionenbetrag“. Die Voestalpine kommt also deutlich billiger davon. Das hat Gründe: Einerseits hat es deutlich weniger überteuerte Schienen und Weichen an die Deutsche Bahn geliefert. Andererseits waren es auch die Linzer, die die Missstände auf dem deutschen Schienenmarkt erst haben auffliegen lassen.

Es liegt schon eine Zeit zurück, dass die Voestalpine einen deutschen Schienenhersteller übernommen – und sich damit auch in das Kartell eingekauft hat. Bald nachdem klar wurde, was vor sich geht, startete das Unternehmen interne Ermittlungen und erstattete letztlich Selbstanzeige. Die Strategie ging auf: Schon im Kartellverfahren wurde den Linzern der angestrebten Kronzeugenstatus in weiten Teilen gewährt. Die Strafe fiel mit 8,5 Millionen Euro vergleichsweise harmlos aus. Thyssen-Krupp wurde im selben Verfahren zu einer Geldbuße von 103 Millionen Euro verdonnert.

Ganz beendet ist das Kapitel Schienenkartell für die Voestalpine aber auch nach der Einigung mit der Deutschen Bahn nicht. Denn auch kommunale Verkehrsbetriebe bekamen von den „Schienenfreunden“ zu teure Schienen geliefert. Ihr Kartellverfahren steht noch aus. Die 205 Millionen Euro an Rückstellungen würden in Summe aber reichen, ließ die Voestalpine wissen. Auch die Schließung des Schienenwalzwerks in Duisburg sei schon mitgerechnet. „Ein bitterer moralischer Beigeschmack“ bleibe aber.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2013)

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