Arbeitsmarkt: Die Jobkrise verfestigt sich

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Symbolbild(c) APA/ANDREAS PESSENLEHNER (ANDREAS PESSENLEHNER)
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Im Mai stieg die Arbeitslosigkeit in Österreich erneut stark an. Menschen finden nach Schulungen schwerer einen Job, die Langzeitarbeitslosigkeit nimmt zu.

Wien. Vor ziemlich genau drei Jahren sah es so aus, als wäre die Krise schon wieder im Abklingen. Die Arbeitslosigkeit stieg nur noch leicht, in den krisengebeutelten Branchen wie der Industrie standen die Zeichen schon wieder auf Erholung. Hätten die Prognosen gestimmt, wäre 2013 das Jahr gewesen, in dem die Arbeitslosigkeit wieder sinkt. Aber wie so oft machte die Krise den Voraussagen einen Strich durch die Rechnung. Und der Zeitpunkt, ab dem die Arbeitslosen weniger werden, rückt in die Ferne.

„Derzeit erwarten wir schon, dass es nächstes Jahr etwas besser wird“, sagt Arbeitsmarktexperte Helmut Hofer vom Institut für Höhere Studien (IHS). Denn da soll das Wirtschaftswachstum in Österreich – laut Prognose – 1,8 Prozent erreichen. Und damit beinahe die magische Grenze von zwei Prozent, ab der die Arbeitslosigkeit der Faustregel zufolge sinkt.

Vorerst ist von einer Entspannung jedoch keine Spur. Ende Mai waren in Österreich 330.309 Menschen als arbeitslos gemeldet, 78.414 davon waren in Schulungen. Damit stieg die Arbeitslosigkeit im Vorjahresvergleich um 9,5 Prozent an, so die aktuellen Daten des Sozialministeriums. Ein unangenehmer Trend, aber kein überraschender: Die Zahlen folgen der Entwicklung der vergangenen Monate, die Arbeitslosigkeit war stets gestiegen. Im Jänner erreichte die Zahl der Menschen ohne Job mit 410.662 gar den höchsten Wert seit 1945. In der Eurozone galoppieren die Arbeitslosenzahlen von einem Rekord zum nächsten. Im April hatten in den 17 Euroländern 19,4 Millionen Menschen keine Arbeit. Österreich hat mit 4,9 Prozent die EU-weit niedrigste Arbeitslosenquote.

Stärkster Anstieg auf dem Bau

Laut nationaler Definition beträgt die Quote hierzulande immerhin 6,7 Prozent. Der Unterschied liegt in der Berechnung: Eurostat zählt alle Menschen als beschäftigt, die angeben, auch nur eine Stunde pro Woche zu arbeiten. Besonders hohe Anstiege gab es in Österreich im Mai am Bau (plus 15,3 Prozent) und in der Warenproduktion (plus 10,7 Prozent). Wobei die schlechte Arbeitsmarktsituation in der Bauwirtschaft keineswegs nur am schlechten Wetter liegt, wie Marius Wilk vom Arbeitsmarktservice (AMS) sagt: „Hier schlägt sich die schwache Konjunkturlage nieder, Aufträge wie der Bau von neuen Fabriksanlagen bleiben aus.“ Industrie, Gewerbe und Bau seien auch die Branchen, wo es auch mittelfristig nicht besonders rosig aussehe, so Wilk.

Weniger stark war der Anstieg der Arbeitslosigkeit im Handel (plus 7,7 Prozent) und im Tourismus (plus sieben Prozent). „Wenn die Krise länger dauert, kann sich das auch auf andere Branchen niederschlagen, etwa den Handel“, so Wilk. Die schwierigere Situation auf dem Arbeitsmarkt zeigt sich laut Wilk auch darin, dass Menschen, die eine Schulung beim AMS absolviert haben, im Anschluss schwieriger einen Job finden. Wer arbeitslos wird, bleibt es derzeit im Schnitt 97 Tage. Im Mai waren 2,5 Prozent der Arbeitslosen länger als zwölf Monate ohne Arbeit, also langzeitarbeitslos. Die Langzeitarbeitslosigkeit werde weiter leicht steigen, so Wilk.

Wiedereinstieg wird schwieriger

Und die Krise erschwert den Wiedereinstieg. Helmut Hofer vom IHS erklärt das so: „Wichtig ist, dass man im Job immer dazulernt. Wenn man ein oder zwei Jahre arbeitslos ist, fällt das weg“. Das Problem sei, „dass die Menschen dann schon nicht mehr richtig ausgebildet sind, wenn die Konjunktur wieder anzieht.“ Hält die Krise länger an, treffe das vor allem Randgruppen. So führte etwa die trübe Lage auf dem Bau dazu, dass die Arbeitslosigkeit unter Ausländern mit 15,9 Prozent im Mai überdurchschnittlich zugenommen hat.

Die schwache Konjunktur hat die Zahl der Arbeitslosen im Mai am stärksten im Industriebundesland Oberösterreich (plus 15,7 Prozent) und in Kärnten (plus 14,7 Prozent) in die Höhe getrieben. Die geringste Zunahme verzeichneten Vorarlberg (plus 3,8 Prozent) und Tirol (plus 7,7 Prozent). In Wien stieg die Arbeitslosigkeit um 6,1 Prozent auf 81.103 Personen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.06.2013)

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