Zu hohe Preise? Stromversorger müssen Kalkulationen offenlegen

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Verwaltungsrichter zwingen die Energiekonzerne, dem Regulator ihre Kosten und Preisgestaltung zu zeigen. Das soll klären, ob die Branche von ihren Kunden zu viel verlangt.

Wien. Über zwei Jahre lang hat die heimische Energiewirtschaft kaum etwas unversucht gelassen, um diesen Tag zu verhindern. Um keinen Preis wollte sie dem österreichischen Energieregulator E-Control einen tieferen Blick in die eigenen Bücher gewähren, damit dieser überprüfen kann, ob die Stromunternehmen ihren Kunden zu viel Geld abverlangen oder nicht.

Am gestrigen Freitag haben sich all diese Bemühungen letztlich als sinnlos erwiesen: Nach dem Verfassungsgerichtshof haben nun auch die Verwaltungsrichter die Beschwerden der Energieunternehmen dem Grunde nach abgelehnt: Demnach steht es der E-Control zu, die Einkaufspreise und Erlöse der Energieunternehmen zu untersuchen. Und die Firmen hätten die Pflicht, der Behörde alle dafür notwendigen Daten auch zu liefern.

Haushalte zahlen 190 Mio Euro zu viel

Dieses Urteil könnte bald Bewegung in den erlahmten Preiskampf auf dem österreichischen Strommarkt bringen. Die E-Control moniert seit Langem, dass die Stromversorger die gesunkenen Großhandelspreise nicht an die Haushaltskunden weitergeben. Der massive Ausbau subventionierter Ökostromkraftwerke in Deutschland und die billige Kohle aus den USA drücken den Strompreis an Europas Börsen seit dem Jahr 2008 auf Tiefstwerte. An manchen Tagen bezahlen die Erzeuger sogar dafür, dass irgendjemand ihren Strom verwendet.

Die österreichischen Haushalte haben davon allerdings noch nicht viel gemerkt. Während die Industriekunden relativ bald günstigere Preise aushandeln konnten, blieb die Stromrechnung für Private hoch. Auch nach den jüngsten Preissenkungen mancher Energieversorger sieht die E-Control noch ausreichend Luft nach oben. Knapp 190 Millionen Euro zahlten die privaten Konsumenten allein im Vorjahr zu viel für ihren Strom, schätzt die E-Control. Die Gewinnmargen der heimischen Stromversorger hätten sich in den vergangenen Jahren unterdessen durchschnittlich auf knapp 50 Prozent verdoppelt.

Die Strombranche sieht das naturgemäß anders: Die Preise seien angesichts der hohen Herstellungskosten und Steuern fair, im europäischen Vergleich liege man im Mittelfeld. Die Anschuldigungen des Regulators seien altbekannt, was er stets schuldig bleibe, seien Beweise. Genau die konnte der Regulator bisher tatsächlich nicht liefern, weil die Unternehmen ihre Kalkulationen stets streng geheim gehalten haben. Auch die Entwicklung der Margen konnte die E-Control bisher nur grob schätzen. Das ist nun anders. Der Blick in die Bücher dürfte erstmals Gewissheit bringen, ob manche Stromunternehmen ihre starke Marktstellung ausnützen und ihren Kunden zu viel abverlangen.

Bis es so weit ist, dürfte allerdings noch einige Zeit vergehen. Denn eines haben die Stromversorger mit ihrer Verweigerungstaktik schon geschafft: Die Bescheide der E-Control für die Marktuntersuchung sind mittlerweile veraltet. Die Berechnungen der Strompreise von 2006 bis 2010 interessieren heute niemanden mehr. Es spielt damit allerdings auch keine Rolle, dass die Verwaltungsrichter einen Bescheid wegen eines Formalfehlers komplett aufgehoben haben.

E-Control will 2014 erneut prüfen

Die E-Control werde eben einen neuen Anlauf nehmen, sagte Vorstand Martin Graf am Freitag. „Die Stromversorger müssen jetzt ihre Kosten und Preisgestaltung offenlegen. Sämtliche Daten auch zu den Beschaffungskosten dürfen wir abfragen.“ Und im kommenden Jahr will die Behörde genau das auch tun. Nur auf eine Frage wird die E-Control diesmal verzichten müssen, entschied das Höchstgericht. Ihre Strategie dürfen die Unternehmen weiterhin für sich behalten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.10.2013)

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