Wirtschaftsnobelpreis: Ein Rätsel namens Aktie

Raetsel namens Aktie
Raetsel namens Aktie(c) EPA (CLAUDIO BRESCIANI)
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Robert Shiller, Eugene Fama und Lars Peter Hansen haben das Verständnis der Aktienmärkte vertieft. Nur wenige Investoren scheinen daraus gelernt zu haben.

Washington. Wie entsteht ein Aktienkurs? Ein Anhänger der neoklassischen Theorie vom nüchternen Nutzenoptimierer würde diese Frage vermutlich so beantworten: Verkäufer und Käufer sind umfassend über die gegenwärtige Ertragslage des betreffenden Unternehmens informiert, finden einander auf dem transparenten Handelsplatz der Aktienbörse und besiegeln mit Handschlag ein Geschäft zum beiderseitigen Nutzen. Der Preis dafür ist der Aktienkurs, eine rational erfassbare Linie auf tausenden Computerbildschirmen von tausenden Tradern von New York bis Shanghai.

Doch das wirkliche Leben passt nicht in dieses elegante Modell. Aktienkurse flattern irrlichternd auf und ab. Was gestern noch als todsicherer Tipp galt, kann morgen schon auf der Resterampe der Ramschpapiere vergammeln. Immer wieder pumpen sich die Aktienmärkte wie von Geisterhand zu Blasen auf, woran so lange fast niemand etwas auszusetzen hat, bis es knallt und alle begossen dastehen. Wie lässt sich der Aktienmarkt nur vernünftig verstehen?

Dass die Menschheit heute ein realistischeres Verständnis davon hat, wie die Preise von Investitionsgütern wie Aktien, Anleihen oder Immobilien entstehen, verdankt sie jenen drei amerikanischen Ökonomen, die heuer den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhalten.

Finger weg vom Stock Picking

Sie haben nie gemeinsam geforscht, doch die Arbeiten von Eugene Fama, Lars Peter Hansen und Robert J. Shiller ergänzen einander schlüssig.

Fama, ein 74-jähriger Professor an der University of Chicago, belegte in den 1960er-Jahren anhand von detaillierten statistischen Studien des amerikanischen Wertpapiermarktes, dass der bisherige Verlauf eines Aktienkurses herzlich wenig darüber aussagt, wie er sich künftig entwickeln wird. Diese Einsicht ist heute wissenschaftlich ohne Gegenthese. Dennoch verschwenden kleine Daytrader und große Fondsgesellschaften weiterhin viel Zeit und Geld mit dem angestrengtem Studium der Aktiencharts und verbrennen sich beim Stock Picking die Finger.

Irrationaler Überschwang

Kurzfristig sind Aktienkurse also kaum vorhersehbar. Sie fluktuieren von Tag zu Tag zu stark, um sie allein mit der rationalen Erwartung der Anleger auf höhere oder niedrigere Dividenden zu rechtfertigen. Das belegte Robert Shiller im Jahr 1981. Nach dem Börsenkrach von 1987 erhielten seine Untersuchungen der irrationalen menschlichen Regungen an den Märkten verstärktes öffentliches Interesse. Shiller wurde zum bekanntesten Erforscher von Blasen – vor allem jenen auf Immobilienmärkten. Sein Case-Shiller-Index gibt Hilfestellung bei der Bewertung der Risken. Sein 2000 erschienenes Buch „Irrational Exuberance“ beschreibt anschaulich, wie der irrationale Überschwang immer und immer wieder zu Börsenblasen führt.

Heute lehrt der 67-jährige in Yale, und er ist – anders, als in der trivialisierten Darstellung seiner Arbeit – kein „Gegner der Finanzmärkte“. „Ich möchte die Finanz demokratisieren, damit sie besser für die Menschen funktioniert“, sagte er im Mai 2012 im einem empfehlenswerten Interview auf www.voxeu.org.

Weniger ist manchmal mehr

Lars Peter Hansen, ebenfalls Professor in Chicago und mit 60 Jahren der Jüngste dieses Trios, hat ein nützliches mathematisches Werkzeug geschaffen, um die Einsichten von Fama und Shiller in das wilde Flattern der Märkte praktisch nutzbar zu machen. Seine Generalized Method of Moments ist eine statistische Methode, die wenige Faktoren der Finanzmärkte verknüpft, um mit vergleichsweise wenig Aufwand relativ gute Annahmen treffen zu können. „Ich will damit zeigen, wie man etwas tun kann, ohne alles zu tun“, sagte er am Montag.

AUF EINEN BLICK

Robert Shiller (links), Lars Peter Hansen (rechts) und Eugene Fama (großes Bild) hätten mit ihrer Arbeit wesentlichen Einfluss auf die Börsen und das Verhalten der Investoren genommen, hieß es. Die Amerikaner wurden für ihre Methoden zur Beobachtung der Kursbildung an den Märkten ausgezeichnet. Die Arbeit der Preisträger habe „die Marktpraxis in vielerlei Hinsicht beeinflusst“. Der Preis der Schwedischen Reichsbank ist kein Nobelpreis im klassischen Sinn. Er wurde erst 1968 als sechste Kategorie eingeführt und wird als einziger von der schwedischen Zentralbank vergeben. Er unterliegt aber ähnlichen Vergabekriterien. [ Reuters, EPA]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.10.2013)

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