Inflation: Handelskonzerne sollen ihre Daten offenlegen

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Inflation Handelskonzerne(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Berechnung der Inflationsrate soll realitätsnäher werden. Dazu fordert die Statistik Austria einen Zugriff auf die Daten der Handelskonzerne. Doch einige von ihnen legen sich quer.

Wien. Die Berechnung der Inflationsrate ist eine aufwendige Angelegenheit. Einmal im Monat besuchen 200 Leute im Auftrag der Statistik Austria in ganz Österreich 4200 Geschäfte, um die aktuellen Preise zu erheben. Die Geschäftsbetreiber werden darüber vorab informiert. Damit soll sichergestellt werden, dass sich alle relevanten Produkte in den Regalen befinden.

Laut Statistik Austria werden monatlich 39.500 Preise erhoben. Um zu wissen, was die Österreicher einkaufen, wird außerdem eine sogenannte Konsumerhebung durchgeführt. Dabei werden ausgewählte Haushalte gebeten, 14 Tage lang ein Haushaltsbuch zu führen, in das sämtliche Ausgaben aller Haushaltsmitglieder eingetragen werden. Auch die Ausgaben, die über das Jahr unregelmäßig anfallen (wie Strom, Versicherungen), werden abgefragt. Die Konsumerhebung gibt es allerdings nur alle fünf Jahre. Es kommt daher vor, dass verschiedene Trends von der letzten Umfrage nicht mehr aktuell sind.

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Inflation Handelskonzerne (C) DiePresse

Zugang auf Scanner-Daten

Die Statistik Austria will daher die Erhebung der Lebensmittelpreise modernisieren. Doch der Plan ist umstritten. Denn die Behörde plant eine direkte elektronische Datenleitung zu den Buchhaltungssystemen aller relevanten Handelskonzerne – wie Rewe Austria, Spar, Hofer, Lidl und Zielpunkt. Damit sollen die Statistiker Zugang zu den sogenannten Scanner-Daten erhalten. Diese umfassen die Preise, die verkauften Mengen und verschiedene Details zu den einzelnen Produkten.

Die Inflationsberechnung soll dadurch realitätsnäher werden, sagte Konrad Pesendorfer, Chef der Statistik Austria, am Mittwoch im Klub der Wirtschaftspublizisten. Die Behörde wolle einen genauen Überblick über die täglichen, wöchentlichen und monatlichen Transaktionen. Dann können bei der Inflationsberechnung auch Preisrabatte und Kundenbindungsprogramme berücksichtigt werden. Doch welcher Konzern legt solche Informationen freiwillig offen? Pesendorfer versichert, dass die Daten sein Haus nicht verlassen werden. Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB), die gerade wegen Preisabsprachen im Lebensmittelhandel ermittelt, soll keinen Zugriff erhalten.

Gewaltiger Eingriff

Doch die betroffenen Konzerne haben Bedenken. „Der geplante Eingriff in die Sphäre der Unternehmen ist gewaltig“, sagt Roman Seeliger von der Bundessparte Handel in der Wirtschaftskammer Österreich. Man wolle keine „gläsernen Unternehmen“. Es sei lobenswert, dass die Statistik Austria dabei die höchsten Standards in Sachen Datenschutz anwenden will. „Doch es gibt keine hundertprozentige Sicherheit“, so Seeliger. Die Statistik Austria bemüht sich jetzt um eine freiwillige Zustimmung der Handelskonzerne. Pesendorfer hält aber fest, dass die Unternehmen auch per Verordnung des Wirtschaftsministeriums dazu verpflichtet werden können.

In einigen europäischen Ländern, vor allem in Skandinavien, wird die Inflation bereits mit Scanner-Daten berechnet. Das ist aber nur sinnvoll, wenn alle Handelskonzerne mitmachen. Dem Vernehmen nach legen sich aber in Österreich einige Firmen quer.

Der Vorstoß der Statistik Austria kommt zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Spar liefert sich gerade eine heftige Auseinandersetzung mit der Bundeswettbewerbsbehörde wegen des Verdachts von Preisabsprachen. Spar behauptet, die Wettbewerbshüter hätten bei der Hausdurchsuchung der Spar-Regionalzentrale in Kärnten eine Spionagesoftware eingesetzt. Dabei soll es sich um einen sogenannten Passwort-Cracker handeln. „Der geheime Einsatz eines solchen Crackers kann nur darauf gerichtet sein, unerlaubt und heimlich tiefer in das gesamte IT-System von Spar einzudringen und darüber hinaus sämtliche persönlichen Passwörter des Mitarbeiters zu knacken. So etwas ist jedenfalls verboten und krass rechtswidrig“, heißt es bei Spar. Die Bundeswettbewerbsbehörde bestreitet das und hat Spar sowie dessen Vorstandsvorsitzenden Gerhard Drexel wegen übler Nachrede geklagt.

Und nun kommt die Statistik Austria und will einen direkten Zugriff auf die Daten der Handelskonzerne, um die genauen Lebensmittelpreise erheben zu können. Pesendorfer hofft dennoch, bis Jahreswechsel eine Einigung erzielen zu können.

Inflationsrechner für Private

Am Mittwoch hat die Statistikbehörde die Inflationsrate für September veröffentlicht. Diese ist auf 1,7 Prozent gesunken. Das ist ein minimaler Rückgang gegenüber dem Vormonat (1,8 Prozent). Preisdrücker waren niedrigere Treibstoffpreise. Diese sind im Vergleich zum September 2012 um 6,1 Prozent gesunken. Wohnungsmieten legten dagegen um drei Prozent zu. Die Betriebskosten für Mietwohnungen kletterten um 3,9 Prozent. Einen Preisanstieg gab es auch bei Milchprodukten und Eiern mit 4,3 Prozent.

Pesendorfer kann es nachvollziehen, dass den Konsumenten die Inflation oft gefühlt höher vorkommt. So erhöhte sich das Preisniveau des Mikrowarenkorbs, der überwiegend Nahrungsmittel enthält und den täglichen Einkauf repräsentiert, im Jahresabstand um vier Prozent.

Im Frühjahr 2014 wird es auf der Website der Statistik Austria einen individuellen Preisrechner geben. Dann kann jeder seine Ausgaben eingeben und seine Teuerungsrate berechnen lassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.10.2013)

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