Lieber extrem statt extrem fad

Rafting
RaftingREUTERS
  • Drucken

Dem Tourismusland Österreich geht es gut. Aber nur, weil der Winter und der Städtetourismus wettmachen, was der Sommer verliert. Im Sommer gewinnt, wer auf Extremsportarten setzt.

Area 47, das klingt nach Zutritt verboten, nach Abenteuer und Staatsgeheimnissen. Da ist man dann etwas enttäuscht, wenn man erfährt, dass dahinter eigentlich nur die geografische Lage steckt. Der riesige Freizeit-, Sport und Funpark im Tiroler Oberland liegt nämlich auf dem 47. Breitengrad. „Wir wollten etwas, was trendig und jung klingt“, sagt Area-47-Chef Hans Neuner.

Die Area 47, die sich vom Ötztal bis zur Schweizer Grenze erstreckt, ist das Mekka der Generation Red Bull, der Erlebnishungrigen, denen ein bisschen Badmintonspielen und Planschen im See im Sommerurlaub nicht reichen. Von Canyoning über Carving und Cliff Diving bis zum Wakeboarding liest sich die Angebotspalette wie ein ABC der Extremsportarten. Im beschaulichen Idyll, das die Österreich-Werbung den Sommertouristen üblicherweise auftischt, kann sich Neuner nicht wiederfinden: „Bei unserem Zielpublikum zieht dieses In-sich-Gekehrte nicht.“

Die heurige Saison hat der Area 47 rund 40.000 Nächtigungen beschert, der Umsatz wurde mit 6,4 Mio. Euro gegenüber dem ersten Betriebsjahr 2010 verdoppelt. Damit ist die Area 47 ein Lehrbeispiel dafür, wie man aus dem Sorgenkind des heimischen Tourismus, der Sommersaison, das Optimum herausholt.


Stiefkind Sommer. Die Nächtigungsrekorde, über die die Touristiker derzeit jubeln, sind auf den Winter- und den Städtetourismus zurückzuführen, nicht auf den klassischen Sommertourismus, bei dem die Gästezahlen bestenfalls stagnieren oder sogar rückläufig sind. Derzeit liegen die beiden Saisonen etwa gleichauf, wobei der Sommer von einem viel höherem Niveau heruntergefallen ist, der Winter hingegen kräftig aufgeholt hat (siehe Grafik).

Jedenfalls wertschöpfungsmäßig kann der Sommer mit dem Winter nicht mehr mithalten. Denn ein Skifahrer gibt im Schnitt wesentlich mehr aus als ein Wander- oder Badetourist. „Nächtigungszahlen sind überbewertet“, findet auch Area-47-Chef Neuner. Vielmehr gehe es darum, wie viel der Gast, abgesehen von der Unterkunft, ausgibt. Und da müsse man eben etwas bieten: „Nur mit der schönen Landschaft kann ich den Gast vielleicht anlocken. Aber ein Wanderer oder Kletterer lässt denkbar wenig Geld liegen. Da schaut es bei uns schon anders aus, weil unser Gast jeden Tag mehrere Aktivitäten bucht.“

Viele Touristen der Area 47 kommen aus Deutschland. Das ist für den österreichischen Tourismus durchaus repräsentativ. Allerdings: Die Deutschen lassen nach. Zwar hielten sie auch im Jahr 2012 mit rund 40 Prozent (50.000 Nächtigungen) den absoluten Löwenanteil unter den Österreich-Urlaubern. Im Lauf der letzten 20 Jahre hat sich dieser Anteil aber um knapp ein Viertel reduziert. Die Österreicher hingegen halten ihrem Land die Treue. In den Jahren 1994 bis 2012 stieg der Anteil der heimischen Urlauber von rund 30.500 auf knapp 36.000 (27,5 Prozent). Auf Platz drei bei den Österreich-Urlaubern liegen seit 20 Jahren relativ unverändert mit rund sieben Prozent die Niederlande.

Die stärksten Gästezuwächse verzeichnet Österreich aus dem arabischen Raum und aus Asien. 2012 überstieg die Zahl asiatischer Gäste erstmals die Millionenmarke. Mit 1,9 Prozent bleibt ihr Anteil aber immer noch relativ überschaubar. Allerdings sind die Chinesen gleich nach den Russen das kaufkräftigste Publikum und geben laut Bezahldienstleister Global Blue am meisten für Shopping aus.


Shoppen in der City. Wer shoppen will, bucht meist einen Citytrip. Und der Städtetourismus erlebt derzeit auch einen wahren Boom. Wien ist das Bundesland, dass die Nächtigungsstatistiken jedes Jahr aufs Neue nach oben schnellen lässt. Von dem Gästezustrom können die Wiener Hoteliers allerdings wenig profitieren. Denn die Anzahl der Betten steigt schneller als die der Nächtigungen. Mit anderen Worten: Es sperren zu viele neue Hotels auf, vor allem im Luxus- und im Low-Budget-Bereich. Die mittleren Preiskategorien geraten gehörig unter Druck.

Da lebt es sich mit einer guten Geschäftsidee fernab des urbanen Wettbewerbs wesentlich besser – siehe Area 47. Die ist nach knapp drei Jahren Betrieb bereits profitabel – auch wenn der Gewinn derzeit noch reinvestiert wird. Man will schließlich am Puls der Zeit bleiben. Denn die Konkurrenz schläft nicht. Nicht einmal im Ötztal.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.10.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Kommentare

Was Österreich ausmacht

Misstrauische, rechte Eigenbrötler, die Haider für einen Charismatiker, Kreisky für raffiniert und Gusenbauer für einen Intellektuellen hielten. Klischees oder doch Selbstbilder?
Karwendelgebirge
Österreich

Auf der Suche nach Österreich

Was macht Österreich aus? Die Landschaft, die Menschen, die Traditionen? Seit fünf Jahren gehen wir in der Serie 360 Grad Österreich dieser Frage nach und haben festgestellt, dass wir doch besser sind, als wir glauben.
Dirndl und Hüttengaudi
Österreich

Wie die Welt Österreich wahrnimmt

Für die Tschechen sind Österreicher schlampige Deutsche, für die Deutschen haben wir einen putzigen Hüttengaudi-Akzent, und für Chinesen ist Österreich so etwas wie eine Menge Mozarts am Hallstättersee.
Argentinien - Fußballfan mit Flagge
Österreich

Am Ende der Welt liegt Österreich vorn

In Argentinien ist Österreich überaus beliebt, sogar noch etwas mehr als Deutschland. Schließlich ist es keine fußballerische Gefahr.
WAHLWERBUNG DER SPOE IN KLAGENFURT: 'GARTENZWERGE'
Economist

Schöner leben im Jammertal

Österreich ist reich und schön, die Straßen sind sauber und sicher, die Bürger gebildet und produktiv. Selbst fade Politiker sind gut für den Standort. Ein Freibrief für Stillstand ist das aber nicht.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.