Straßenbahnen: Neue Typen gesucht

Strassenbahnen, Wiener Linien
Strassenbahnen, Wiener Linien(c) Clemens FABRY
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Die Wiener Linien vergeben einen Großauftrag über rund 150 neue Niederflurstraßenbahnen. Die Option auf weitere ULFs von Siemens wird nicht gezogen.

Wien. In Wiens öffentlicher Verkehrslandschaft steht ein Paradigmenwechsel an. Galt die Bezeichnung ULF in den vergangenen Jahren quasi als Synonym für „neue Straßenbahn“, könnte sich das bald ändern. Denn die Wiener Linien haben sich dazu entschieden, nicht automatisch weiter auf die von Siemens hergestellten Niederflurstraßenbahnen zu setzen. Vielmehr wird es für die Beschaffung von 120 bis 150 neuen Straßenbahnen eine Ausschreibung geben.

„Die Frage war, wie wir das beste und modernste Produkt auf dem Markt bekommen“, sagt Wiener-Linien-Sprecher Answer Lang. Darum habe man sich entschieden, den Auftrag auszuschreiben. Möglich wäre auch gewesen, weiter auf die etablierten ULFs zu setzen. Eine Option darauf hatten die Wiener Linien im Vertrag mit Siemens stehen. Allein, man zog sie nicht. Wobei man bei den Wiener Linien betont, dass das nicht als Zeichen des Misstrauens gegenüber Siemens aufzufassen sei.

Tatsächlich stecken hinter der Ausschreibung drei konkrete Gedanken. Den einen kommunizieren die Wiener Linien besonders deutlich, nämlich die Sondierung des Marktes. Damit verbunden ist zweitens die Möglichkeit, durch Konkurrenzkampf unter den Anbietern bessere Preise herausschlagen zu können – die aktuelle Tranche der ULFs von 150 Garnituren, die bis Ende 2015 fertig ausgeliefert sein soll, hatte ein Volumen von 357 Millionen Euro.

Und drittens öffnet man sich damit keine Flanke – schließlich könnten nicht zum Zug gekommene Anbieter sonst versuchen, den Rechtsweg zu bestreiten. Und erstreiten, dass bei einem Auftrag dieser Größe eine Ausschreibung zwingend durchzuführen sei.

Genau das hat ein potenzieller Interessent bereits anklingen lassen. Schon im heurigen Mai bezeichnete der Verkehrstechnikkonzern Bombardier eine Ausschreibung als „sauberste Form der Beschaffung“. Germar Wacker, Chef der von Wien aus gesteuerten Straßenbahn-Sparte, präsentierte dabei auch gleich ein Konzept. Auf Basis der weltweit eingesetzten Straßenbahnmarke Flexity will man den Wiener Linien eine Niederflur-Lösung anbieten. Punkten will man vor allem mit Einsparungen bei den Wartungskosten, die über eine Laufzeit von 30 Jahren und bei 170 Langzügen mehr als 300 Millionen Euro betragen soll.

Kritik: Hohe Wartungskosten

Genau an den Wartungskosten der ULF-Garnituren gab es schon Kritik. So rügte das Wiener Kontrollamt vor rund eineinhalb Jahren, dass das Service extrem teuer und die Verfügbarkeit der Züge drastisch einschränkt sei. So sei im Jahr 2009 im Schnitt jeder vierte der insgesamt 200 Züge ständig in der Werkstatt gestanden. Bombardier hingegen gibt an, eine Verfügbarkeitsrate von 95 Prozent erreichen zu können.

Zu den wichtigsten Anforderungen in der Ausschreibung wird der barrierefreie Einstieg gehören – ein Punkt, mit dem man bei der Einführung des ULF 1997 Pionierarbeit geleistet hat. Daneben werden auch ein modernes Konzept zur Fahrgastinformation, flexibel gestaltbare Innenräume, neuester Stand der Technik, Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit sowie Energieeffizienz in die Bewertung einfließen, so wie auch optimale Arbeitsbedingungen für die Fahrer. Die Ausschreibung soll noch in diesem Jahr starten, eine Entscheidung soll Mitte 2014 fallen. Die Lieferung der neuen Straßenbahnen soll ab 2017 erfolgen.

Bei Bombardier zeigt man sich über die Meldung jedenfalls erfreut. „Wir stehen in den Startlöchern“, heißt es. Bei Siemens will man die Entscheidung hingegen nicht kommentieren. Damit bleibt vorerst offen, ob sich der Technologiekonzern für den neuen Auftrag bewerben wird. Und ob ab dem Jahr 2017 ein anderes Modell den Rang als „neue Straßenbahn“ einnehmen wird. (eko/APA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2013)

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