Für das bessere Leben der anderen

Kaffeebohnen
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Laos ist ein bitterarmes Land. Um ihr Leben etwas zu verbessern, schließen sich viele Kaffeebauern zu Kooperativen zusammen. Aber in diesem System ist bei Weitem nicht für alle Platz. Ein Lokalaugenschein.

Ihre Lippen sind fest zusammengepresst. Und ihre Augen haben nur ein Ziel im Visier: eine große alte Waage. Es sind nur wenige Meter, die die beiden jungen Männer von der Ladefläche eines kleinen bescheidenen Lkw zurücklegen müssen. Doch der Weg zehrt an den Kräften. Ein Sack Kaffee ist nicht leicht zu umfassen. Und schwer ist er auch.

Es ist dunkel und kalt an diesem Abend in Laos. Bloß eine Handvoll Neonröhren wirft ein fahles Licht auf Maschinen und Menschen. In Ban Maysaisomboune herrscht geschäftiges Treiben. Die Produktionsanlage für Kaffee rattert im Dauereinsatz. Es ist Erntezeit – Arbeitszeit.

Mit Unterstützung der französischen und laotischen Regierung haben sich die Bauern der Bezirke Paksong, Lao Ngam und Thateng im Jahr 2007 offiziell zusammengeschlossen, um ihren Kaffee gemeinsam zu verkaufen. Knapp 1800 Familien sind Teil der Kooperative AGPC, das für Association des Groupements de Producteurs de Café du Plateau des Bolovens steht.

Das Bolaven-Plateau ist das Zentrum des Kaffeeanbaus im kleinen asiatischen Binnenstaat mit seinen 6,5 Millionen Einwohnern. Neben Holz zählt der zunächst grüne Rohstoff zu den wichtigsten agrarischen Exportgütern. Der weltweite Marktanteil von Kaffee aus Laos ist hingegen verschwindend gering. Laos ist ein Bauernstaat. Für die Weltbank zählt das ehemalige französische Kolonialgebiet zu den am wenigsten entwickelten Ländern der Erde.

Ein großer Teil der Familien auf dem Bolaven-Plateau lebt unterhalb der Armutsgrenze. Häuser aus zusammengenagelten Brettern, offene Feuerstellen im Garten, Kinder ohne Schuhe, fehlende sanitäre Einrichtungen. All das ist Realität, es ist Alltag in Laos. Um ihren Lebensstandard zu verbessern, sind einige Bauern des Plateaus enger zusammengerückt. Seit 2009 ist die Kooperative auch Fairtrade-zertifiziert.

Fairtrade ist ein Sozialsiegel, das für faire Arbeitsbedingungen, gentechnikfreien Anbau, „aber auch für demokratische Entscheidungsprozesse innerhalb der Gemeinschaft steht“, wie Hartwig Kirner, Chef von Fairtrade Österreich, sagt. Doch ob es ein Staat mit der Demokratie ernst meint oder nicht, ist eher zweitrangig für die Organisation. In der Demokratischen Volksrepublik Laos ist seit Jahrzehnten eine kommunistische Einheitspartei an der Macht. Die Bauern kennen zum Teil kein anderes politisches System. Für sie zählt der Kaffeepreis, sie wollen, dass das Geld am Ende des Tages stimmt. Auch Herr Yen will das. Er ist glücklich, wie er sagt. Yen erzählt von seinem Leben und davon, dass er früher Reisbauer war. Jetzt geht es ihm besser, „mein Einkommen ist höher“, so der 36-Jährige.

Kein Wunder, denn die Kooperative sorgt dafür, dass der Kaffee zu Mindestpreisen verkauft wird. Doch Abnehmergarantie gibt es keine. Ein Problem von Fairtrade, da viele Bauern nur einen Teil ihrer Ernte unter dem Siegel vertreiben können. In Laos aber, da haben die Bauern Glück. Das französische Kaffeeunternehmen Malongo nimmt ihnen 90 Prozent der Ernte ab. Kirner bezeichnet das als Ausnahme. „Bitte sorgen Sie dafür, dass unser Kaffee verkauft wird“, ist dennoch von den Bauern immer wieder zu hören.

140 Dollar für 45,5 Kilo Kaffee, plus 30 Dollar Bioaufschlag plus 20 Dollar Fairtrade-Prämie bezahlt Malango. Ein Segen, denn auf dem Weltmarkt sind die Preise für Kaffee zuletzt stark gefallen. Durch die Mehreinnahmen und Prämien können Tempel und andere Gebäude sowie bessere Maschinen und Trainings finanziert werden. Es sind die Konsumenten im Westen, die bereit sind, höhere Summen für das bessere Leben der anderen zu bezahlen. Ein Leben, das noch lange ohne Wohlstand wird auskommen müssen.


Auf dem freien Markt ist es billiger.
Die Bauern der Gemeinschaft liefern ihre Kaffeekirschen, deren Kern die Kaffeebohne ist, an die Kooperative ab. Der Preis wird von lokalem Angebot und Nachfrage bestimmt. 4000 Kip, umgerechnet 36 Eurocent, erhalten die Fairtrade-Bauern pro Kilo Kaffeekirschen. Um ein Kilo Kaffee zu produzieren, braucht es fünf bis sechs Kilo Kirschen.

In Laos diktiert die Firma Dao Heuang den Preis. Wer außerhalb der Kooperative verkauft, muss sich mit 2000 bis 2500 Kip zufrieden geben. Dao ist nicht nur einer der größten Kaffeeproduzenten des Landes, sondern zählt auch zu dessen wichtigsten Betrieben. Wer an Dao vorbeifährt, kann erahnen, warum. Unweit der Stadt Pakse betreibt das Unternehmen einen riesigen Standort, eine Fabrikshalle; das nahezu einzige Gebäude westlicher Anmutung weit und breit. Eine Zusammenarbeit mit der Kooperative gibt es nicht. Dao produziert vorzugsweise Instantkaffee. Kaffee, Milch und Zucker aus einer Verpackung ist bei vielen Asiaten beliebt. Auch bei den Bauern von Fairtrade. „Viele von unseren Leuten trinken gar keinen Kaffee. Ich muss sie immer wieder dazu ermutigen“, sagt Rattapraseud Nhouyvanisvong, der Marketingchef von AGPC.

Kaffee von Fairtrade ist in erster Linie etwas für Reiche – im Vergleich zu den Verhältnissen in Laos. Reich sind die Laoten maximal an innerer Ruhe. Man ist zufrieden mit dem, was man hat, oder tut zumindest so. „In meinem Dorf ist niemand eifersüchtig, weil ich mit meinem Kaffee mehr verdiene“, sagt Kamphong Sorphaxoy. Er ist Bürgermeister des Dorfes Porkhem. Auch ihn hat die Prämie überzeugt „Mehr Verkäufe, mehr Prämie, mehr Entwicklung“, sagt Sorphaxoy. „Wir konnten ein Büro bauen und haben Zugang zu Grundwasser“, so der zierliche Mann. Eine Vorstellung, die auch anderen gefallen dürfte. Genauer gesagt 200 anderen. Sie alle warten darauf, ein Teil von AGPC zu werden. Doch aufgenommen wird nur, wer es ernst mit der Organisation meint. Ein pestizidfreier Boden ist die erste aber auch größte Hürde. Denn bis dieser frei von Spritzmitteln ist, vergehen drei Jahre.

So lange kann Khamsone Souvannakhily nicht warten, wie er mantraartig wiederholt. Souvannakhilys Land grenzt an das eines Südkoreaners. Er hat Angst, dass der ihm seinen Grund streitig machen könnte. Schließlich hat die Regierung den Acker nur unter bestimmten Bedingungen verkauft. Doch Souvannakhily hat noch ein ganz anders Problem. Er besitzt zahlreiche Hektar Land und passt damit nicht sonderlich gut in ein Konzept, bei dem vor allem Kleinbauern Mitglieder einer Gemeinschaft sind. Damit scheint bei Fairtrade auch das Wachstum der Kleinen begrenzt, wenn sie einmal größer werden. Fairtrade lässt das nicht gelten: Nicht alle Bauern einer Kleinbauernkooperative müssen klein sein – zumindest aber die Hälfte. Am Ende hat ohnedies die Kooperative das Sagen – und bestimmt, wer hinein darf oder draußen bleiben muss.

Die Autorin war auf Einladung von Fairtrade in Laos.

Fakten

Das Fairtrade-Siegel ist ein Sozialsiegel, das für faire Preise, bessere Arbeitsbedingungen und Umweltschutz steht. Der Einsatz von gentechnisch verändertem Saatgut und giftigen Chemikalien ist verboten. Fairtrade ist jedoch kein Umweltsiegel. Fairtrade-Produkte sind daher nicht mit biologischen Lebensmitteln gleichzusetzen. Bei Kaffee liegt der Bioanteil dennoch bei 80 Prozent. Gemessen am Umsatz werden in Österreich vor allem frische Früchte, Süßwaren und Kaffee mit Fairtrade-Siegel verkauft. Die Organisation finanziert sich zu einem großen Teil aus Lizenzeinnahmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2013)

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