Arbeitsmarkt: 9000 Junge "verschwinden" pro Jahr

Arbeitsmarkt, Jugendliche, Ausbildung
Arbeitsmarkt, Jugendliche, Ausbildung(c) Clemens Fabry
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Schul- und Lehrabbrecher haben das größte Risiko, arbeitslos zu werden. Ab 2016 gilt für Jugendliche die Pflicht zur Ausbildung.

Wien. Österreich blühen einige Jahre mit Rekordarbeitslosigkeit. Das geht aus der aktuellen Prognose des Arbeitsmarktservice (AMS) hervor („Die Presse“ berichtete). Das AMS rechnet im heurigen Jahresdurchschnitt mit 388.400 Arbeitslosen (inklusive Schulungsteilnehmer). Das sind um 21.200 mehr als im Vorjahr. Auch nächstes Jahr soll die Arbeitslosigkeit noch einmal steigen – wie stark, hängt von der Konjunktur ab.

Die Krise trifft schwächere Gruppen stets am stärksten – Ausländer, Junge und Menschen mit mangelhafter Ausbildung. Die Hälfte der Arbeitslosen in Österreich hat nur einen Pflichtschulabschluss. Die Statistik Austria hat nun erhoben, wie sich das Bildungsniveau auf den Erwerbsverlauf auswirkt – und dabei unter anderem die Situation der Jungen unter die Lupe genommen: Jedes Jahr brechen 35.000 Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren ihre Ausbildung oder die Schule ab oder beginnen nach der Pflichtschule keine weiterführende Ausbildung. Einige wechseln die Schule oder das Berufsfeld, gehen zum Bundesheer oder bekommen Kinder. 3700 jedoch landen in einem Hilfsarbeiterjob, 3450 gleich beim AMS.

Einige sind in gar keiner Statistik mehr zu finden. 9000 Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren verschwinden laut Statistik Austria jährlich vom Radar. Sie besuchen weder eine Ausbildung noch gehen sie in die Schule oder sind arbeitslos gemeldet. Einige von ihnen dürften von ihren Eltern oder Partnern finanziert werden oder Arbeit suchen, ohne beim AMS vorgemerkt zu sein. Sie zählen damit zur Gruppe der „Neets“ („not in employment, education or training“). Laut einer Studie, die das Institut für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften im Vorjahr mit der Johannes-Kepler-Universität Linz und dem Institut für Berufs- und Erwachsenenbildungsforschung erstellt hat, fallen rund 78.000 Jugendliche in Österreich unter diese Definition. Den klassischen Neet-Jugendlichen gibt es laut den Autoren nicht – aber Faktoren, die das Risiko erhöhen: etwa Migrationshintergrund, bildungsferne Eltern oder eine mangelhafte Schul- oder Berufsausbildung.

Ausbildungspflicht gilt ab 2016

Unter den Jugendlichen, die jedes Jahr „verschwinden“, sind auch zahlreiche AHS-Abbrecher: Laut Statistik Austria hören jährlich rund 1600 Junge vor der Matura mit der AHS auf. Ein Drittel von ihnen ist eineinhalb Jahre später nicht mehr auffindbar. „Diese Gruppe ist erstaunlich groß“, so Manuela Lenk von der Statistik Austria. Auch über sie gibt es nur Vermutungen: Finanzierung durch die Eltern, nicht registrierter Wegzug ins Ausland, Arbeitssuche, ohne sich beim AMS zu melden („versteckte Arbeitslose“). Bei jenen Jugendlichen, die die BHS frühzeitig verlassen, „verschwinden“ lediglich 15Prozent, was daran liegen dürfte, dass man vor der Matura schon einen Beruf erlernt.

Ab 2016 soll es nicht mehr passieren, dass Jugendliche ohne Ausbildung einfach abtauchen: Die von der Regierung beschlossene Ausbildungspflicht gilt für jene 12.700 15- bis 18-Jährigen, die nach der Pflichtschule vom Radar verschwinden oder als Hilfsarbeiter arbeiten. Sie kann durch einen weiterführenden Schulbesuch, eine Lehre oder eine außerschulische Qualifizierung erfüllt werden. Eltern, die ihre Kinder nicht in die Schule schicken, droht eine Verwaltungsstrafe von 440 Euro. Wie viel die Ausbildungspflicht kostet, könne man noch nicht sagen, so das Sozialministerium. (hie)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.03.2014)

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