Gutachten: Staat soll für AvW-Pleite zahlen

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AvW, Gutachten(c) APA/HANS KLAUS TECHT (HANS KLAUS TECHT)
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Die Bundeswertpapieraufsicht hat bei der Pleite der Kärntner Finanzgruppe schwer gepatzt, sagt ein Gutachten. Auf die Republik kommen damit Schadenersatzforderungen zu.

Wien. Im Fall des 2008 zusammengebrochenen Kärntner Finanzkonglomerats AvW sorgt nun ein brisantes Gutachten für Aufmerksamkeit: Der Gutachter Fritz Kleiner erhebt darin schwere Vorwürfe gegen die Bundeswertpapieraufsicht (BWA), die Vorgängerorganisation der jetzigen Finanzmarktaufsicht (FMA). Diese habe problematische Vorgänge und Betrügereien bei AvW um Jahre zu spät erkannt, habe Verdachtsmomente zudem nicht ausreichend weiterverfolgt und sei damit für die Höhe des aufgetretenen Schadens mitverantwortlich, heißt es in der Expertise.

Das Gutachten könnte die Republik ziemlich teuer zu stehen kommen. Folgt das Gericht den Ausführungen Kleiners, dann können geprellte AvW-Anleger nämlich Schadenersatz aus Amtshaftung geltend machen. Was wohl auch geschehen wird, denn das Gutachten wurde im Auftrag des Landesgerichts für Zivilrechtssachen in Wien angefertigt.

Es geht um sehr viel Geld: Die AvW-Gruppe war 2008 zusammengebrochen, betroffen waren rund 12.500 Anleger. Diese haben 940 Mio. Euro an Forderungen angemeldet, bisher aber noch keinen einzigen Cent gesehen. Ex-Firmenchef Wolfgang Auer-Welsbach hat unterdessen eine mehrjährige Haftstrafe wegen schweren Betrugs ausgefasst, die er bereits angetreten hat.

Kleiner wirft der Bundeswertpapieraufsicht in seinem mehr als 300-seitigen Papier schwere Versäumnisse vor. Schon sieben Jahre vor der Pleite, 2001, seien bei einer Prüfung des Unternehmens Verdachtsmomente aufgetaucht, die eigentlich alle Alarmglocken schrillen hätten lassen müssen. So hätten die Prüfer damals festgestellt, dass die Kurse der AvW-Genussscheine auf eine Weise festgesetzt wurden, die den Experten der BWA „unüblich, willkürlich und nicht nachvollziehbar“ erschien. Kleiner schließt daraus, dass die BWA damals schon erkennen hätte müssen, dass die Kurse von Firmenchef Auer-Welsbach praktisch nach Gutdünken festgelegt wurden und keinerlei realen Hintergrund gehabt haben.

Allerdings haben die Probleme, so das Gutachten, schon viel früher angefangen. 1991, also zehn Jahre vor dieser Prüfung, sei die Kapitaldeckung der AvW schon so gering gewesen, dass ein Zusammenbruch praktisch unausweichlich schien. Spätestens ab 1998 hätten sich die Hinweise, dass an der Sache etwas faul ist, so sehr verdichtet, dass die Behörde zumindest extrem misstrauisch hätte werden sollen. Zumal zu diesem Zeitpunkt ja auch schon die Kapitalgarantie des Unternehmens hinterfragenswert gewesen sei und die Möglichkeit der Rückgabe der Genussscheine in Zweifel gezogen hätte werden können.

Verdacht nicht weiterverfolgt

Die Prüfer der Bundeswertpapieraufsicht hätten um die Jahrtausendwende zwar schon einen ernsten Verdacht geschöpft, diesen aber nicht ausreichend weiterverfolgt. 2001 hatte die BWA beispielsweise die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young um nähere Erläuterung der Rückstellungen gebeten. Die Ausführungen der Prüfer seien unzureichend gewesen, Auer-Welsbach selbst soll dazu reichlich „diffuse Aussagen“ getätigt haben. Die Prüfer gaben sich damit aber zufrieden, heißt es in dem Gutachten. Jedenfalls wurden die Verdachtsmomente nicht weiter verfolgt.
Die Anlegeranwälte, die das Verfahren gegen die Republik angestrengt haben, sehen ihre Argumentationslinie durch das Kleiner-Gutachten voll bestätigt und wollen nun sofort in Vergleichsverhandlungen eintreten.       (red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2014)

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