Die Arbeitslosigkeit legte im März um fast zehn Prozent zu. Trotzdem hat Österreich die niedrigste Arbeitslosenrate der EU. Doch der Spitzenplatz sei teuer erkauft, sagen Kritiker.
Wien. 18,97 Millionen Menschen waren in der Eurozone im Februar arbeitslos. Aber immerhin: Das sind um 166.000 weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Doch der Abbau verläuft zäh. Und das ist kein Wunder: Die Wirtschaft in der Eurozone wächst zwar, aber nur dürftig. Ähnlich ist das in Österreich. Auch hierzulande prognostizieren die Wirtschaftsforschungsinstitute heuer einen mäßigen Aufschwung von 1,7 Prozent. Aber diese Voraussage wird nur halten, wenn alles gut geht und nicht eine neue Krise dazwischenfunkt. Um die Arbeitslosigkeit ernsthaft abzubauen, dafür reicht das Wachstum auch so nicht.
Deshalb steigt die Arbeitslosigkeit zügig weiter: Ende März gab es in Österreich rund 402.000 Menschen ohne Job (davon 83.000 in Schulungen des Arbeitsmarktservice). Das waren fast zehn Prozent mehr als im März des Vorjahres. Seit Monaten befindet sich die Arbeitslosigkeit in Österreich, unter Berücksichtigung saisonaler Schwankungen, auf einem Höchststand der Zweiten Republik. Das AMS rechnet damit, dass sie im Laufe des Jahres weiter zulegen wird. Im Jahresschnitt werden inklusive Schulungsteilnehmer 388.000 Menschen ohne Job erwartet. Die Arbeitslosenquote hat den Höchststand noch nicht erreicht: Sie betrug im März 8,4 Prozent (nationale Definition). Ihren März-Rekord der Nachkriegszeit erreichte sie 1954 mit 11,4 Prozent.
Statistik „versteckt“ Arbeitslose
Auch andere Länder kämpfen mit einem Arbeitslosenrekord, etwa Italien: Dort wurde im Februar die höchste Arbeitslosigkeit seit Beginn der Aufzeichungen im Jahr 1977 gemessen, mit einer Quote von 13 Prozent. Allerdings nach der internationalen Berechnungsmethode, was das Ganze noch schlimmer macht, denn die Eurostat-Methode ergibt in der Regel einen niedrigeren Wert. Weil laut dieser Messung jeder als beschäftigt gilt, der auch nur eine Stunde pro Woche arbeitet. Österreich hat laut dieser Methode mit 4,8 Prozent die niedrigste Arbeitslosigkeit in der EU (siehe Grafik).
Kritikern zufolge sagt weder die eine noch die andere Berechnung die ganze Wahrheit. Die Arbeitslosenstatistik vergesse jene Menschen, die wegen mangelnder Perspektiven die Arbeitssuche aufgegeben haben oder die statt zum AMS in Frühpension geschickt werden, so die Denkfabrik Agenda Austria. Auch die Schulungsteilnehmer würden weder in der nationalen noch in der internationalen Quote berücksichtigt. Die Arbeitslosigkeit sei in Wahrheit doppelt so hoch wie die von der EU ausgewiesenen Zahlen und um etwa 60 Prozent höher als die AMS-Messung. „Österreich erkauft sich seinen hervorragenden Platz in der Statistik mit kostspieligen Frühpensionierungen und Weiterbildungsprogrammen“, so Agenda Austria am Dienstag. Unter Berücksichtigung der „versteckten Arbeitslosen“ habe die Arbeitslosenquote im Vorjahr nicht 7,6 Prozent (AMS) oder fünf Prozent (Eurostat) betragen – sondern 10,2 Prozent.
Trendwende in Deutschland
In Österreich ist die Trendwende auf dem Arbeitsmarkt jedenfalls noch nicht erreicht, die Arbeitslosigkeit wird frühestens 2015 sinken. Anders in Deutschland. Dort ist sie bereits rückläufig. „Neben der üblichen Frühjahrsbelebung kommt auch die gute Konjunktur auf dem Arbeitsmarkt an“, sagte Frank-Jürgen Weise, Leiter der Bundesagentur für Arbeit, dem deutschen Pendant zum AMS. Die Zahl der Arbeitslosen sank im März so stark wie zuletzt im Boomjahr 2012. Im März waren 3,06 Millionen Menschen in Deutschland arbeitslos (exklusive Schulungsteilnehmer), 43.000 weniger als im Vorjahr. Damit erreicht der Aufschwung langsam auch die Arbeitslosen. Im Vorjahr wurden die neuen Stellen vor allem mit Frauen, die auf den Arbeitsmarkt drängten, und mit Zuwanderern besetzt. „Die Geschäfte laufen einfach gut, die Betriebe haben eine starke Nachfrage“, sagt Holger Schäfer, Arbeitsmarktexperte am Institut der deutschen Wirtschaft Köln, zur „Presse“.
In Österreich gibt es wegen der starken Zuwanderung und der wachsenden Frauenarbeit nach wie vor mehr Menschen, die arbeiten wollen, als Jobs geschaffen werden. Das erklärt, warum die Arbeitslosigkeit steigt, obwohl sich auch die Beschäftigung auf einem Höchststand befindet.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.04.2014)