Estag: Prüfer orten schwere Mängel

Der Rechnungshof-Rohbericht über die Estag prangert schwere Fehler von Vorstand, Aufsichtsrat und Eigentümer an.

GRAZ. Der steirische Energiekonzern Estag hat jahrelang ohne Vorgaben des Landes agiert, kaufte Beteiligungen viel zu teuer und verfügte weder über eine interne Revision noch über ein funktionierendes Controlling. Das ist der Kern des 72 Seiten starken Rechnungshof-Rohberichts, der der "Presse" vollständig vorliegt.

Garniert mit vielen Detail-Mängeln zeichnen die Prüfer das Bild eines Konzerns, der nach seiner Gründung im Jahr 1997 praktisch sich selbst überlassen blieb, obwohl sich die in ihn gesetzten Erwartungen vielfach nicht erfüllten. So sagte die Electricit© de France (EdF) bei ihrem Einstieg in die seinerzeitige Steweag billige Steinkohle und günstigere Strombezüge zu. Diese Zusagen wurden laut Rechnungshof (RH) nicht eingehalten. Schlussfolgerung der Prüfer: "Im Hinblick auf die Entwicklung der Zusammenarbeit mit der EdF erheben sich für den RH zumindest zur Zeit der Gebarungsprüfung Zweifel, ob die seinerzeitige Entscheidung des Landes für den Partner EdF für die Estag die beste Wahl war."

Der von der EdF bezahlte Kaufpreis von 407 Mill. Euro wurde im Konzern belassen, Vorgaben für dessen Verwendung gab es aber nicht. Auch die Frage, in welcher Form die Holding geführt werden sollte, blieb offen. Der Estag-Vorstand seinerseits war laut RH beim Aufbau einer inneren Organisation säumig. Folge: "Die Zuordnung der Mitarbeiter zu den Organisationseinheiten war lediglich einem internen Telefonverzeichnis zu entnehmen." Controlling und Revision gab es nicht, wobei der Aufsichtsrat insofern mitschuldig ist, als er dies auch nie einforderte. Dem Vorstand sei es auch nicht gelungen, eine strategische Ausrichtung und Unternehmenskultur zu schaffen. Und "die im Konzern vorhandenen Synergien konnten bisher nicht ausreichend genutzt werden."

Als besonders problematisch stellt der RH die Dividendenpolitik im Konzern dar. Demnach erhielt die Estag von ihren Töchtern von 1999 bis 2002 zwar Dividenden von insgesamt 169 Mill. Euro, drei Viertel davon stammten aber aus dem Eigenkapital. "Nach Ansicht des RH widersprach diese Vorgangsweise der (...) vereinbarten Zielsetzung, die Substanz und Ertragkraft nachhaltig zu erhalten."

"Für den Rechnungshof erheben sich Zweifel, ob die Entscheidung für den Partner EdF die beste Wahl war."

Ein Kapitel für sich sind die zahlreichen Firmenbeteiligungen der Estag. Laut Bericht ist es den Prüfern "trotz mehrmaliger Anfragen und Mahnungen" nicht gelungen, eine vollständige Liste der Beteiligungen zu erhalten. Für manche Firmen habe die Estag um bis zu 100 Prozent überhöhte Preise gezahlt. Gegenüber den Bewertungsgutachten gab es beträchtliche Überzahlungen: so bei der Energie Graz, bei den Stadtwerken Hartberg, den Hereschwerken und der Überland Strom. Laut RH amortisieren sich die Kosten bei den Hereschwerken erst in 30 Jahren und bei den Stadtwerken Hartberg erst in 104 Jahren. Bei diesem Kauf sei der strategische Zuschlag doppelt angesetzt worden. Der Aufsichtsrat habe "oftmals" überhöhte Preise und überstürzte Abwicklung kritisiert, letztlich aber immer zugestimmt.

Beim Kauf der Pichler Werke wurden sowohl Käufer als auch Verkäufer von der Wirtschaftsprüfer-Kanzlei KPMG beraten, was der RH "wegen auftretender Interessenkollisionen nicht für zielführend" hält. Der KPMG steht der Steuerberater Romuald Bertl nahe, der die Estag laufend beriet, mehrmals Abschlussprüfer war und an Aufsichtsratssitzungen teilnahm, was einen Bruch des Aktiengesetzes darstellt. Der RH hält eine "derart starke Bindung an einen einzelnen Berater nicht für zweckmäßig".

Sehr kritisch sieht der RH die rückwirkende Korrektur des Jahresabschlusses 2001: Diese Korrektur, bei der ein 39-Millionen-Schaden aus dem Energiepark Donawitz nachträglich ins Jahr 2001 verfrachtet wurde, sei "nicht periodengerecht und daher nicht zulässig" gewesen. Der geschasste Estag-Vorstand Gerhard Hirschmann hatte dies als "Bilanzfälschung" angeprangert. Hätte man den Schaden ordnungsgemäß 2002 verbucht, hätte der Konzern einen Verlust von 13,75 Mill. ausweisen müssen. Just 2002 gewährte der Aufsichtsrat aber den drei Vorständen für ihre "überaus erfolgreiche Tätigkeit" je 100.000 Euro Sonderprämie. Diese Zuwendung in Höhe von rund sechs Monatsgehältern sieht der RH "als nicht gerechtfertigt an".

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