Fluggepäck: Passagier in New York, Koffer in Wien

Fluggäste haben schlechte Karten, wenn die Fluglinie ihr Gepäck einfach nicht mitnimmt.

WIEN. Jet Set - echten Jet Set - hat der legendäre Kabarettist Karl Farkas einmal so definiert: "Frühstück in Wien, Abendessen in New York, Koffer in Tokio." Neuerdings gibt es dazu eine Abwandlung: Frühstück und Koffer in Wien. Denn in letzter Zeit häufen sich Beschwerden genervter Passagiere, die am Zielort ihrer Reise ohne Gepäck dastehen. Und zwar nicht, weil das gute Stück unterwegs nur vorübergehend verloren gegangen ist - das passiert branchenweit ein bis zwei Prozent der beförderten Gepäckstücke, statistisch gesehen fehlen also bei jedem Flug ein paar Koffer (siehe Grafik) -, sondern weil die Airline das gute Stück bewusst nicht verladen hat.

Eine dumme Geschichte, wenn man dann ohne Gepäck am Zielflughafen steht und der gebuchte Mietwagen oder der Bus für die Rundreise warten. Da hilft es dann auch herzlich wenig, wenn die Airline hoch und heilig verspricht, das gute Stück am nächsten Tag nachzuliefern. Und wenn dann bei der Reklamation mit leicht erhobener Stimme auch noch patzige Antworten von gestressten Airline-Mitarbeitern kommen, ist die Urlaubspleite perfekt.

So geschehen etwa im Februar, als bei einer Vielzahl von AUA-Linien- und Charterflügen eine Reihe von Gepäckstücken (bei einem Flug waren es 67!) erst mit Verspätung nachgeliefert wurde.

Bei der AUA versucht man auch gar nichts zu beschönigen: "Im heurigen Winter ist das leider verstärkt aufgetreten", sagt AUA-Sprecher Johann Jurceka. Und schuld daran war in den meisten Fällen das Wetter: Schlechte Wetterbedingungen bedeuten Flugverspätungen. Weil die Jets in dicht aufeinander folgenden "Rotationen" unterwegs sind, würden sich solche Verspätungen über den ganzen Tag "fortpflanzen".

Man versucht also, den Flugplan durch Flugzeug-Abtäusche halbwegs im Lot zu halten. Und wenn dann statt des "dickbäuchigen" Airbus eine zierliche MD80 mit kleinem Gepäckraum da steht, kann es schon vorkommen, dass eine Reihe von Gepäckstücken auf der Strecke (beziehungsweise auf dem Rollfeld) bleibt. Die werden mit der nächsten Maschine nachgeliefert und auch am Zielort den am nächsten Tag schon meist in alle Winde verstreuten Passagieren nachgeführt - aber das Ärgernis für den Passagier lässt sich nicht mehr beheben.

Das Wetter kann natürlich auch auf andere Weise noch "Kofferklau" spielen: Jets sind sehr fragil ausbalancierte Maschinen, die Ermittlung der jeweils höchstzulässigen Beladung (und deren Verteilung) gehört zu den kniffligsten Aufgaben vor dem Start. Sind Maschinen ausgebucht und sozusagen bis zur Ladekante voll, kann es vorkommen, dass das für bestimmte Wetterbedingungen zulässige Höchstgewicht überschritten wird. Dann wird eben ausgeladen. Auch im Sinne der Passagiere: Es sind schon Flugzeuge wegen Überladung abgestürzt.

Der Regelfall, wenn Koffer zurückbleiben, ist das aber nicht. Ebenso wenig wie andere Gründe, die in Einzelfällen zum Zurücklassen von Gepäck führen. So gibt es etwa AUA-Strecken mit extremem Gepäcksaufkommen. "Da checken die Leute vom Kühlschrank bis zur Scheibtruhe alles ein, was schwer und voluminös ist", meint ein AUA-Mitarbeiter. Und es kommt auch gelegentlich vor, dass extrem viele Leute extrem spät einchecken. Dann wird ein Teil des Gepäcks schlicht deshalb nicht mehr verladen, um den Flugplan nur halbwegs einhalten zu können.

Einen Seitenhieb auf den Flughafen Wien will man sich bei der AUA nicht verkneifen: Die Kapazität der Gepäcksabfertigung des Flughafens liege bei 2100 Gepäckstücken pro Stunde, der tatsächliche "Umschlag" in Spitzenzeiten aber bei bis zu 2900 Gepäckstücken. Da steht die Airline dann vor der Alternative, entweder den Flugplan zu schmeißen oder die Passagiere durch Nichtmitnahme von Gepäck zu verärgern.

Wenn Gepäckstücke nicht mit demselben Flugzeug mitfliegen, kann auch das Wetter schuld sein.

Und was tun, wenn's einen trifft? Jurceka: "Am Zielort sofort beim "Lost&Found-Schalter reklamieren und für notwendige Ausgaben (etwa Toiletteartikel oder den Anzug, den man für den abendlichen Empfang dringend benötigt) Rechnungen sammeln." Der fehlende Koffer wird zugestellt, auch wenn man am Tag nach der Ankunft schon im Land weitergereist ist. Die Rechnungen für zusätzliche Ausgaben reicht man nach der Rückkehr beim AUA-Kundendienst ein. Sie werden dann zumindest teilweise ersetzt.

Und zwar auf Kulanzbasis: Die "Allgemeinen Beförderungsbedingungen" der Fluggesellschaften geben ihnen nämlich eine starke Position. Im Beförderungsvertrag der AUA, dem man mit dem Kauf des Tickets zustimmt, heißt es in Punkt 8.4.4 etwa: "Sofern wir mit Ihnen keine andere Vereinbarung getroffen haben, behalten wir uns vor, Gepäck erst mit einem späteren Flug zu befördern."

Eine "andere Vereinbarung" dürfte schwierig zu bekommen sein. Denn im Punkt 19 des Beförderungsvertrags heißt es: "Keiner unserer Agenten, Bediensteten oder Bevollmächtigten ist berechtigt, diese Allgemeinen Beförderungsbedingungen zu ergänzen, abzuändern oder auf deren Anwendung zu verzichten."

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