8000 Privatpleiten: Der leichte Weg aus der Schuldenfalle

(c) DiePresse (Clemens Fabry)
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Der Zugang zum Privatkonkurs-Verfahren soll vereinfacht werden.

Wien (eid).7513 Österreicher ging im Vorjahr pleite – heuer wird es deutlich über 8000 Privatkonkurse geben. Und bis 2015 soll sich die Zahl der Privatkonkurse verdoppeln, schätzt der Kreditschutzverband von 1870 (KSV). Eine Horrorvision? Die Fakten sprechen dafür: 2,6 Millionen Österreicher haben einen oder mehrere Bankkredite, laufen, gut 300.000 Personen können ihre Rechnungen und die Zinsen nicht regelmäßig begleichen. Und 120.000 Haushalte sind praktisch zahlungsunfähig.

Für KSV-Insolvenzexperte Hans-Georg Kantner ist die hohe Zahl an „Pleitiers“ insofern alarmierend, als darunter nicht nur Menschen sind, die durch Schicksalsschläge wie Krankheit, Scheidung oder Jobverlust jäh in Schwierigkeiten kommen. Vielmehr dürften immer mehr Menschen ein Leben auf Pump für selbstverständlich finden. Dennoch gewinnt Kantner der steigenden Zahl an Privatkonkursen viel Positives ab. „Das ist ein Signal, dass aufgrund der guten Konjunktur immer mehr Menschen in den Arbeitsprozess und damit ein geregeltes Leben zurückfinden“, so Kantner. Erst ein geregeltes Einkommen bietet die Chance, den Schuldenabbau über einen Privatkonkurs zu schaffen. Den Unternehmen entgeht durch private Insolvenzen freilich eine Menge Geld, über den Privatkonkurs kommen sie zumindest ein Zehntel der Forderungen.

Seit Bestehen des international als vorbildlich angesehenen Privatkonkurs-Gesetzes 1995 haben laut KSV-Statistik 40.000 Personen ein Verfahren beantragt – und 75 Prozent haben den Weg aus der Schuldenfalle geschafft.

Keine Exekution

Damit das künftig noch mehr Menschen schaffen, planen Sozialminister Erwin Buchinger und Justizministerin Maria Berger (beide SPÖ) eine Gesetzesreform, die den Zugang zum Privatkonkurs rascher und einfacher machen soll. Ein Kernpunkt, über den in der Arbeitsgruppe im Justizministerium weitgehend Einigung herrscht:

Auch wenn jemand noch keine festen Einkünfte hat, aber die Aussicht darauf besteht, soll ein Privatkonkurs möglich sein. Über eine Art Schulden-Moratorium würden die Außenstände eingefroren, die Tilgung würde später erfolgen. „Schuldenstopp, keine Zinsen, keine Klagen, keine Exekution – das nacht Sinn“, sagt Kantner.

Neues Sanierungsverfahren

Konfliktpotenzial birgt hingegen der zweite Eckpunkt der Novelle: Buchinger und Berger wollen die bestehende Regelung senken bzw. ganz abschaffen, dass der Schuldner zumindest zehn Prozent seiner Schulden zurückzahlen muss (Mindestquote). „Das (die Abschaffung der Grenze, Anm.) ist der falsche Weg, denn damit würde der Anreiz wegfallen, sich anzustrengen“, räumt Kantner ein.

Das Justizministerium plant auch Neuigkeiten beim Unternehmens-Insolvenzrecht. Da seit zehn Jahren die Zahl der Ausgleichsverfahren zurückgeht (im ersten Halbjahr 2007 gab es nur 17 Fälle), wird ein neues Sanierungsverfahren erarbeitet. Hintergrund: Viele Unternehmen bzw. Manager scheuen den Gang in den Konkurs, weil sie in diesem Fall die Führung der Firma an den Masseverwalter abtreten müssen. Außerdem herrscht nach wie vor die Meinung, Konkurs bedeute den Tod eines Unternehmens.

In das Sanierungsverfahren wird die „Eigenverwaltung“ eingebaut. Die Kontrolle über die Sanierung, die binnen vier Monaten abgeschlossen sein soll, wird einem Sanierungsverwalter übertragen. Die insolvente Firma muss nur 30 Prozent der Schulden – statt 40 wie im Ausgleich – zurückzahlen.

Schon nach einem Monat soll abgeklärt werden, ob die Sanierung überhaupt möglich ist. Wenn das Ergebnis negativ ist, soll ein rascher Umstieg in ein Konkursverfahren bzw. einen Zwangsausgleich möglich sein. Die Novelle, die 2008 in Kraft treten soll, sieht auch vor, dass der Pleitenfonds (IAG) im Sanierungsverfahren (wie im Konkurs) für alle Mitarbeiterforderungen bis zu sechs Monate vor der Insolvenz aufkommt. Beim Ausgleich springt der Fonds seit 1997 nicht mehr ein.

Kantner geht davon aus, dass ein Drittel der 1000 Unternehmen, die alljährlich einen Zwangsausgleich beantragen, für ein Sanierungsverfahren in Frage kommt – also 200 und 300 Unternehmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2007)

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