Club der Millionäre: Indianer leben vom Gasfeld

(c) AP (Fredman)
  • Drucken

Wie ein Indianerstamm durch eine Goldgrube im Reservat zum Club der Millionäre wurde – und was das bedeutet.

Ignacio. Hätte Colorados Gouverneur Frederick Pitkin die heutigen Gaspreise erahnt, er hätte den Indianerstamm der südlichen Utes wohl in ein anderes Eck verdrängt. Damals, im Jahr 1870, konnte man es nicht ahnen: Unter dem späteren Reservat wartete ein riesiges Methanfeld, das zur Goldgrube werden sollte. Und der einst arme Indianerstamm kontrolliert heute ein Prozent des US-Gasangebots. Weshalb das Vermögen des Stammes auf vier Mrd. Dollar (2,9 Mrd. Euro) geschätzt wird. Jeder seiner 1400 Mitglieder ist Multimillionär. Zumindest auf dem Papier.

Die Petrodollars arbeiten von selbst. Ein stammeseigener Investmentfond („Growth Fund“) hält Beteiligungen im Umfang von einer Mrd. Dollar an mehreren Firmen. Einige sind in der Gasförderung tätig, immer mehr arbeiten im Immobiliengeschäft. Die Gaspreise haben angezogen, und der Indianerstamm erfreut sich einer Hochkonjunktur. Nachdem im Vorjahr ein neues Spital gebaut wurde, wird heuer eine Siedlung und ein Geschäftspark aus dem Boden gestampft. Eine Entwicklung, die von Bewohnern umliegender Siedlungen mitunter mit Argwohn beobachtet wird.

„Ich glaube nicht, dass es Leute draußen akzeptieren, wie schnell sich der Stamm zu einer politischen und wirtschaftlichen Macht entwickelt hat“, sagt „Häuptling“ Clement Frost zur „New York Times“. Wenn auch manche noch immer den Stamm ignorieren mögen – die Wall Street tut es nicht.

Kreditwürdigkeit: „AAA“

Die Rating-Agentur Standard & Poor's stellte dem Indianerstamm im Jahr 2001 ein erstes Zeugnis über seine Kreditwürdigkeit aus: ein „AAA“. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Denn das Rating hängt mitunter davon ab, wie viel Reserven ein Unternehmen im Vergleich zu seinen Ausgaben hat. 50 Prozent Absicherung gelten als gut, erklärt Karl Jacob, Analyst bei Standard & Poor's. „Der Stamm der Südlichen Utes hatte im Jahr 2006 Reserven, die 21,6 mal so hoch sind wie seine Ausgaben.“

Das war nicht immer so. In den 50er-Jahren begannen die ersten Energiefirmen im Reservat nach Gas zu bohren. Wovon der Indianerstamm keinen Cent sah. Bis man im Jahr 1991 begann, Bohrrechte zurückzukaufen und Arbeiter zur Ölförderung anzuheuern. Allerdings fand sich kaum jemand, der dem Stamm Geld leihen wollte. „Heute, mit dem Anlagevermögen und dem Triple-A-Ranking, möchte jeder unser Freund sein“, jubelt Bob Zahradnik, ein weißer, ehemaliger Exxon-Mobil-Manager, der das Energiegeschäft des Indianerstamms mitbegründet hat. Der Stamm ist nun an mehr als 1000 Gasquellen beteiligt, 450 im eigenen Reservat. Die stammeseigenen Pipelines sind 4800 Kilometer lang.

Man könnte von einem Staat im Staat sprechen. Ein Staat mit Government und 9500 Einwohnern. 1400 davon sind Indianer. Im „Staatsbetrieb“, der aufgrund seines Indianer-Status keine Steuern abliefern muss, arbeiten 631 Menschen. Nur ein Sechstel der Beschäftigten sind Indianer – obwohl ihnen bei Stellenbesetzungen der Vorzug gegeben werden muss.

Indianer-Minderheit lebt gratis

Denn wenige Stammesmitglieder melden sich zur Arbeit. Das brauchen sie auch nicht, um zu überleben. Sie erhalten in jedem Fall eine Rentenzahlung in Höhe von 1400 Dollar im Monat bis zum 60. Lebensjahr, und danach eine Pension von 65.000 Dollar jährlich. Das Geld sprudelt aus den Gasquellen. Was die Arbeitsmotivation untergräbt, gesteht man beim Growth-Fund.

FLUCH ODER SEGEN?

Der Indianerstamm der südlichen Utes kontrolliert ein Prozent des US-Gasangebots. Das Vermögen beträgt vier Mrd. Dollar. Stammesmitglieder brauchen nicht zu arbeiten. Und tun es auch kaum.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.08.2007)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.