Gazprom: Gas um Hälfte teurer

Erdölpreis und EU-Politik führten zu steigenden Preisen.

MOSKAU. Kunden in Österreich können sich auf eine drastische Steigerung der Preise für Erdgas im kommenden Jahr einstellen. Alexander Medwedew, Vize-Vorstandschef des russischen Erdgasmonopolisten Gazprom, prognostiziert für 2008 einen Anstieg der Erdgaspreise für europäische Abnehmer um etwa 50 Prozent. Medwedew sagte am Rande der Moskauer Messe „Gas Russlands – 2007“ vor Analysten, die Erdgaspreise würden von 250 Dollar auf 300 bis 400 Dollar per 1000 Kubikmeter erhöht.

Gaspreis folgt dem Ölpreis

Für den drohenden Preissprung macht Gazprom zwei Faktoren verantwortlich: Zum einen die Entwicklung der Erdölpreise – der Erdgas-Preis bildet den für Erdöl mit drei- bis sechsmonatiger Verzögerung ab. Zum anderen aber auch die EU: Die Pläne der EU-Kommission, den Erdgasmarkt in Europa weiter zu liberalisieren, führten „unweigerlich zu einer Situation, in der die Preise steigen“.

Gazprom stört sich daran, dass die EU die Erdgasindustrie entflechten will. Während Gazprom, wie Medwedew betonte, als Gasexporteur davon profitieren würde, würden jedoch die Interessen des Konzerns in den Bereichen Distribution und Marketing verletzt. „Die Liberalisierung funktioniert nicht in Infrastruktur-Industrien wie der Strom- und besonders der Gaswirtschaft“, so Medwedew. In Russland hat Gazprom das Monopol bei der Erdgasförderung, dem Transport und Export inne und ist zudem einer der größten Stromerzeuger. Medwedew warnte vor „ernsten negativen Konsequenzen für die langfristige Erdgasversorgung der EU“, sollten den Versorgern in der EU die Leitungsnetze weggenommen werden.

Gazprom will Europa erobern

Auch die Pläne der EU, Konzernen wie Gazprom den Erwerb von Aktienmehrheiten an europäischen Pipeline-Betreibern zu untersagen, kritisierte Medwedew. Medwedew betonte zwar, dass die Investitionen bislang nicht in Frage stehen. Dennoch analysiere der Konzern, welche Konsequenzen das für die eigenen Beteiligungen innerhalb der EU hat. Gazprom hält 50 Prozent minus eine Aktie an dem Erdgashandelshaus Wingas, einem Joint-venture mit der BASF-Tochter Wintershall. In Lubmin an der Ostsee und in Eisenhüttenstadt plant der Konzern den Bau von Gaskraftwerken.

Das erklärte Ziel von Gazprom ist es, die Wertschöpfungskette vom Bohrloch in Sibirien bis zum Erdgasherd bei Kunden in Europa zu beherrschen. Die Pläne finden innerhalb der EU wenig Anklang, besteht doch die Gefahr der Abhängigkeit vom Energielieferanten Russland. Wozu die führen kann, bekam Russlands Nachbar Ukraine 2006 zu spüren, als Gazprom den Erdgashahn tagelang geschlossen hielt und damit auch für Versorgungsengpässe innerhalb der EU sorgte.

Gazprom liefert in diesem Jahr 148 Mrd. Kubikmeter Erdgas nach Europa (2006: 151 Mrd. Kubikmeter) und hat einen Marktanteil von etwa 25 Prozent. Bis 2015 wird einer Analyse von Gazprom zufolge der Marktanteil auf 33 Prozent klettern. 78 Prozent des österreichischen Gasbedarfs kommen aus Russland. Über Österreich liefert Gazprom ein Drittel seiner gesamten Exporte nach Westeuropa.

Neue Verträge mit China

Europa verliert als Kunde unabhängig von der Liberalisierung des Marktes für Gazprom an Bedeutung. Gazprom will künftig auch Abnehmer in Asien und Amerika beliefern. So sollen in vier Jahren bis zu 80 Mrd. Kubikmeter Erdgas jährlich nach China fließen. Zum Vergleich: Deutschland bezieht von Gazprom jährlich 40 Mrd., Österreich rund sieben Mrd. Kubikmeter.

AUF EINEN BLICK

Russland wird die Gaspreise im nächsten Jahr von derzeit rund 250 auf 300 bis 400 Dollar je 1000 Kubikmeter anheben.
Gazprom
begründet das mit den steigenden Erdölpreisen – der Gaspreis folgt dem Ölpreis mit einigen Monaten Verspätung – sowie mit der Liberalisierung des europäischen Gasmarktes.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2007)

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