Nach Panzer-Storno: "Größte Sorge um die Arbeitsplätze"

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Die Panzerproduktion droht von Wien in die Schweiz verlagert zu werden. 500 Mitarbeiter wären betroffen. Steyr-Betriebsrat Steiner fürchtet um die "langfristige Absicherung des Standorts".

Die Stornierung des 800-Mio.-Euro-Auftrags von 199 Steyr-Panzern für die tschechische Armee könnte das Aus für das Werk des Panzerbauers Steyr-Daimler-Puch in Wien bedeuten. Der amerikanische Eigentümer des Panzerbauers SSF (Steyr Daimler Puch Spezialfahrzeug GmbH) könnte die Radpanzertechnik in die Schweiz zum Panzerbauer Mowag verlegen, berichtet der "Kurier" in seiner Donnerstags-Ausgabe.

Am Mittwoch tagte die Geschäftsleitung des Panzerbauers Steyr-Daimler-Puch Spezialfahrzeug GmbH (SSF) in Permanenz. Vertreter des amerikanischen Eigentümers General Dynamics waren angereist. SSF gehört zur "European Land Combat Systems" des US-Rüstungsmultis. Details wurden wegen einer sofort verhängten Nachrichtensperre allerdings keine bekannt.

"Politische Motive" für Storno?

SSF-Betriebsratsobmann Reinhold Steiner vermutet rein politische Gründe als Motiv für die plötzliche Ablehnung aus Tschechien. Beobachter sehen laut "Kurier" Parallelen zum österreichischen Eurofighter-Geschäft: Eine Regierung kaufe ein System. Die Nachfolgeregierung wolle es nicht und versuche, das Produkt schlecht zu machen.

Die Folge sei jedes Mal ein Imageschaden für das Produkt: Ein Schaden, der über das Schicksal des Werks entscheiden könne. Betriebsratsobmann Steiner äußerte "größte Sorge um die Arbeitsplätze und die langfristige Absicherung des Standortes Wien".

Finnischer Angstgegner

Als die in Wien-Simmering ansässige SSF am 9. Juni 2006 den Vertrag zur Lieferung von 234 Pandur-II-Radpanzern um rund 800 Mio. Euro an die tschechische Armee nach monatelangem Tauziehen in der Tasche hatte, schien zunächst der Triumph über den finnischen Erzrivalen Patria perfekt. Nun droht für Steyr die dritte Niederlage in Serie gegen den "Angstgegner" Patria.

Bereits im Sommer 2006 hatte SSF bei der Ausschreibung eines Großauftrags der slowenischen Armee gegen Patria den Kürzeren gezogen. Dabei ging es um ein Auftragsvolumen von rund 263 Mio. Euro. Nun werden die Finnen und nicht Steyr insgesamt 136 Panzerfahrzeuge liefern.

Anfang August 2007 setzte es den nächsten Schlag für Steyr: Die kroatische Regierung beschloss am 2. August, 84 Radpanzer von Patria zu kaufen. Der Kaufpreis wurde nicht bekanntgegeben, nach Angaben von Verteidigungsminister Berislav Roncevic war das Angebot der Finnen jedoch um 42 Mio. Euro günstiger als jenes von SSF.

Auch die mazedonische Regierung hatte bereits Anfang 2006 angekündigt, 130 gepanzerte Truppentransporter zu beschaffen. Um sich das aufwendige Auswahlverfahren zu ersparen, wollte sich die Regierung in Skopje an der Entscheidung der Experten in Zagreb orientieren - auch hier könnte also bereits eine Vorentscheidung gegen den Pandur II von Steyr gefallen sein. Nach Auskunft von Steyr ist der Beschaffungsvorgang in Mazedonien jedoch noch nicht im Laufen, die Chancen sind also noch intakt.

"Storno nicht zur Kenntnis nehmen"

In Simmering gibt man den Tschechien-Auftrag noch nicht endgültig verloren: Für Donnerstag ist ein Gespräch im Verteidigungsministerium in Prag angesetzt. Auch nach Ansicht von VP-Wirtschaftsminister Martin Bartenstein ist die Kündigung des Auftrags noch nicht besiegelt. "Das offensichtliche Auftragsstorno ist nicht zur Kenntnis zu nehmen", sagte der Minister am Rande einer Indien-Reise. Wie das Unternehmen selbst sei er "der Ansicht, dass noch Gespräche mit Tschechien zu führen sind".

500 Jobs gefährdet

Mit dem Wegfallen des Werks in Simmering würden 500 Jobs wackeln. Steyr-Daimler-Puch Spezialfahrzeuge hat derzeit rund 500 Mitarbeiter und erwirtschaftete 2006 einen Umsatz von rund 170 Mio. Euro. Gewinnzahlen gibt man nicht bekannt.

Das Vorzeigeprodukt von SSF ist der Pandur-Radpanzer, von dem 260 Stück an Portugal verkauft wurden - dieser letzte große Deal im Wert von 365 Mio. Euro liegt allerdings fast drei Jahre zurück. Die portugiesischen Kunden sind jedenfalls zufrieden mit ihrer Pandur-Flotte. "Wir haben den besten Panzer der Welt ausgesucht", sagte der portugiesische Generalmajor Vitor Manuel Viera laut "Kurier.

Die finnische Patria hat laut Geschäftsbericht 2006 rund 2.450 Beschäftigte und setzte im Vorjahr 448 Mio. Euro um. Darüber hinaus wurden allein 2006 neue Aufträge in Höhe von 554 Mio. Euro akquiriert. (Red./Ag.)

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