Nokia: Rekordgewinn und eine zerknirschte Entschuldigung

AP (Frank Augstein)
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Der finnische Handy-Hersteller verteidigt dennoch die Werksschließung in Bochum.

Helsinki. Er wolle die Gelegenheit nützen, sich „öffentlich zu entschuldigen“, sagt Olli-Pekka Kallasvuo. Selten hat man einen Konzernchef so zerknirscht gesehen wie den Nokia-Boss, als er am Donnerstag in Helsinki die Schließung des Werks in Bochum zu rechtfertigen versuchte. „Schmerzvoll“ sei die Entscheidung gewesen, aber unausweichlich, und er verstehe die Trauer und auch den Zorn.

Selten auch hat es eine solche Diskrepanz gegeben zwischen der Stimmung der Anleger und jener der vor der Entlassung stehenden Belegschaft, denn nur eine Stunde vor Kallasvuos Entschuldigung hatte der selbe Nokia-Boss in einer Analystenkonferenz sich für das beste Resultat rühmen lassen, das der finnische Mobilfunk-Riese je erzielt hat.

Rosige Aussichten für fast alle

„Exzellent“ sei das jüngste Quartal gewesen, sagte Kallasvuo da, und 2007 ein „gutes Jahr“ für den Konzern. Noch nie hat Nokia so viel verdient, noch nie war die führende Stellung auf dem Handymarkt so unangefochten. Ein Jahr mit „starkem Wachstum und erhöhter Rentabilität“ hat Nokia hinter sich, und die Aussichten sind auch für 2008 rosig. Nur nicht für das Werk in Bochum. Für die dortigen 2300 Arbeiter gibt es trotz Rekordgewinn keine Hoffnung. „Eine solche Entscheidung trifft man nicht leichten Herzens, doch wir haben trotz aller Bemühungen keine tragbare Lösung gefunden.“

Nokia steigerte 2007 den Umsatz um 24 Prozent auf 51 Mrd. Euro, im vierten Quartal dank einem starken Weihnachtsgeschäft gar um 34 Prozent. Die Gewinne nach Steuern kletterten im Vorjahr um 67 Prozent auf 7,2 Mrd. Euro, die Ertragsquote für Handys stieg im vierten Quartal auf 25 Prozent und übertraf damit noch die hoch gesteckten Erwartungen der Analysten. 133,5 Mio. Telefone mit dem Nokia-Markenzeichen gingen von Oktober bis Dezember weltweit über die Ladentische, damit erreichten die Finnen erstmals das lange angestrebte Traumziel eines Marktanteils von 40 Prozent.

2008 werde der globale Handymarkt von 1,14 Mrd. Telefonen um weitere zehn Prozent wachsen, erwarten die Finnen. Doch die Fertigung in Bochum ist Nokia zu teuer. Von dort stammten nur sechs Prozent der Handys, aber 23 Prozent der direkten Personalkosten, rechnete der Konzernchef vor, gleichzeitig sei der Erlös pro Gerät seit 2003 um 35 Prozent gefallen. Der Maschinenpark in Bochum sei veraltet, in der Schere von Preisdruck und Lohnkosten sei die Fertigung in Deutschland nicht zu erhalten. „Es wäre für alle viel besser gewesen, wenn wir weitermachen hätten können. Doch das war nicht möglich.“

Mehr Verantwortung zeigen

Er räumte ein, dass man nicht imstande war, diese Zusammenhänge ausreichend zu erklären. Doch jetzt will sich Nokia als „verantwortungsbewusster Teil der Gesellschaft“ zeigen. In der kommenden Woche wird der Boss nach Deutschland reisen, um gemeinsam mit den dortigen Behörden zu sehen, „wie wir dem Personal und der Stadt helfen können“.

AUF EINEN BLICK

Nokia verzeichnete im abgelaufenen Geschäftsjahr einen Rekordgewinn von 7,2 Mrd. Euro. Dass dennoch die Handy-Fertigung in Bochum geschlossen wird, erregt in Deutschland die Gemüter. Hoffnung auf einen Weiterbestand des deutschen Werks zerstreut aber der Chef des finnischen Mobilfunkunternehmen, Olli-Pekka Kallasvuo.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2008)

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