Bioenergie: „Biosprit nicht auf Kosten der Entwicklungsländer“

(c) AP (Martin Meissner)
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Fischler: Nachhaltige Beimischung von zehn Prozent Biosprit nur mit neuen Technologien möglich.

WIEN (cim). Gefährdet der Boom bei Öko-Energie und Biosprit die weltweite Versorgung mit Lebensmitteln? Nein, sagen Experten. Allerdings nur unter den richtigen Rahmenbedingungen. Und die würden derzeit noch fehlen.

„Die Erzeugung von Nahrung und Bio-Energie ist kein Widerspruch“, sagt Landwirtschaftskammer-Präsident Gerhard Wlodkowski. Die „20-20-20“-Ziele der EU (20 Prozent weniger CO2-Ausstoß, 20 Prozent mehr Energieeffizienz, 20 Prozent Anteil erneuerbarer Energie bis 2020) nennt er eine „Zahlenspielerei“. Denn niemand wisse genau, was ausgebaut werden soll, sagt Wlodkowski.

Am sinnvollsten sei die Energiegewinnung aus Zellulose. Diese „zweite Generation“ der Biotreibstoffe ist bislang weder wirtschaftlich noch ökologisch sinnvoll, da bei der „Holzverzuckerung“ mehr CO2 ausgestoßen als gespart wird.

Derzeit berge der Biosprit-Boom mehr Risiken als Chancen, vor allem für Entwicklungsländer, sagt Bischof Ludwig Schwarz, Vorsitzender der Koordinierungsstelle der Bischofskonferenz für Entwicklung. In Ländern wie Brasilien oder Mexico sei die Lebensmittelversorgung in Gefahr, da Kleinbauern durch die industrielle Biosprit-Produktion ihren Grund verlieren, vertrieben werden und in Slums landen würden, so Schwarz.

In Österreich werden derzeit 90 Prozent des beigemengten Biosprits importiert. „Aus der Produktion der ersten Generation Biosprit können wir das Ziel der Beimischung von zehn Prozent oder mehr nicht erreichen“, sagt Franz Fischler, Präsident des Ökosozialen Forum Europa. „Das schaffen wir nur, wenn die zweite Generation in wenigen Jahren auf den Markt kommt“, so Fischler.

Zwischen 2006 und 2007 ist die österreichische Produktion von Biodiesel um 37,8 Prozent gestiegen, weltweit wurden 60 Prozent mehr Biodiesel hergestellt. Um die Lebensmittelversorgung Europas macht sich der Ex-Agrarkommissar keine Sorgen: In der EU, vor allem in den EU-12, gebe es „Millionen brachliegende Hektar“ und die Nachfrage nach Getreide werde nicht mehr wesentlich steigen.

„Biosprit-Boom drosseln“

Rudolf Remler-Schöberl, Vorsitzender der ARGE Entwicklungszusammenarbeit, fordert, den Biosprit-Boom zu drosseln und eine Nachdenkpause einzulegen. „Wie die EU ihre Ziele ohne einer Verletzung ökologischer und sozialer Standards umsetzen will, ist mehr als unklar“. Die Biosprit-Herstellung in Entwicklungsländern unter den aktuellen Rahmenbedingungen sei eine Gefahr für die Bevölkerung, da Grundnahrungsmittel für die Produktion verwendet werden. „Klimaschutz ist ein hehres Ziel, aber es geht nicht, dass Entwicklungsländer dafür die Zeche zahlen müssen“, so Remler.

Biotreibstoff solle nur dann produziert werden, wenn das wirtschaftlich, ökologisch und sozial nachhaltig sei, resümiert Fischler.

Die Lösung liege in der Entwicklung neuer Technologien. Bis Bioenergie und -Treibstoff aus Zellulose oder Biogas hergestellt werden kann, will er mit anderen Organisationen Öko- und Sozial-Standards entwickeln, die auch der WTO standhalten. „Eine schwierige Aufgabe“, sagt Fischler.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2008)

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