Interview: „Erdöl wird nie wieder 20 Dollar pro Fass kosten“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Ecuador ist das jüngste Mitglied der Opec. Im „Presse“-Gespräch erklärt Öl-Minister Chiriboga, warum die Opec gegen Rohstoff-Spekulanten machtlos ist, ein Ölpreis von 200 Dollar aber trotzdem unrealistisch ist.

Die Presse: Die Opec hat gestern beschlossen, kein zusätzliches Rohöl auf den Markt zu werfen. Weshalb hat das Kartell die ausdrückliche Bitte von US-Präsident George W. Bush ignoriert?

Galo Chiriboga: Die Märkte sind ja ausreichend mit Rohöl versorgt. Und zu nichts anderem fühlt sich die Opec verpflichtet. Hoffentlich können wir mit unserer Entscheidung erreichen, dass der Konsum von Erdöl eingeschränkt wird.

Der Ölpreis hat vor wenigen Wochen erstmals die 100-Dollar-Marke erreicht. Ist das ein fairer Preis?

Chiriboga: Das war das Ergebnis von Ölpreis-Spekulationen. Der Preis ist ja seitdem auch gefallen. Aber grundsätzlich bin ich der Meinung, dass der Ölpreis die Realitäten des Marktes widerspiegeln sollte.

Was wäre denn Ihrer Meinung nach ein solcher „realistischer“ Ölpreis?

Chiriboga: Das ist eine schwierige Frage, weil es natürlich einerseits die Interessen der Konsumenten, andererseits die Interessen der Produzenten gibt. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass wir Ölförderer mit höheren Produktionskosten zu kämpfen haben. Und der Ölpreis ist real gesehen niedriger als in den achtziger Jahren.

Hoffnungen auf Preise in der Gegend von 20 Dollar je Barrel brauchen wir uns demnach wohl nicht zu machen?

Chiriboga: Nein, das wird es nicht mehr geben.

Experten schließen mittelfristig Ölpreise von 200 Dollar nicht mehr aus. Sehen Sie das auch so?

Chiriboga: Solchen Prognosen liegen mit Sicherheit keine technisch fundierten Analysen zu Grunde.

Immerhin hat es die Opec ja auch nicht geschafft, die 100-Dollar-Marke zu verhindern.

Chiriboga: Es gibt auf der ganzen Welt keine einzige Organisation, die Spekulanten unter Kontrolle halten kann.

Wieso ist Ecuador dann überhaupt der Opec beigetreten?

Chiriboga: Weil sie unsere Interessen gut vertreten kann und weil die Opec durch unsere Mitgliedschaft gestärkt wird. Wir sind ja nach Venezuela das zweite lateinamerikanische Land in der Organisation.

Das bringt uns auf Kritik, die man immer wieder hört. Nämlich, dass Ecuador mit dem Beitritt weniger sich selbst, sondern vor allem Venezuela einen Gefallen getan habe.

Chiriboga: Diese Kritik nehme ich zur Kenntnis. Auch wenn wir nicht dieser Meinung sind.

Venezuelas Präsident Hugo Chávez meint, die Opec sollte in Zukunft auch in der Weltpolitik mitmischen. Also zum Beispiel als Protest gegen die US-Politik den Ölhahn zudrehen. Sehen Sie das auch so?

Chiriboga: Venezuela ist ein wichtiges Mitglied der Opec. Chávez' Vorschläge werden in den Gremien diskutiert.

Aber Ihre Meinung zum Thema Politik könnten Sie uns trotzdem verraten.

Chiriboga: Nein, dass widerspräche unseren Leitlinien.

Ganz offensichtlich zeugen aber die Äußerungen von Chávez von gewissen Machtgelüsten. Wie es ja innerhalb der Opec auch den Wunsch gibt, dass sich das Kartell doch vergrößern möge. Zum Beispiel mit Russland als neuem Mitglied.

Chiriboga: Je mehr Länder in unserer Organisation vertreten sind, desto stärker ist die Opec – keine Frage. Ich würde mich auch über einen Beitritt Mexikos freuen.

Ecuador exportiert nur Rohöl, weil es keine funktionierenden Raffinerien hat. Wäre es nicht sinnvoll, privates Know-How und Kapital ausländischer Ölfirmen anzulocken, um dieses Manko zu beseitigen?

Chiriboga: Wir haben da zwei große Projekte. Einerseits reparieren wir die bestehende Raffinerie in Esmeraldas um 187 Mio. Dollar. Andererseits bauen wir in Manabí eine neue Großraffinerie. Die wird 300.000 Barrel Rohöl pro Tag verarbeiten können. Wir bauen diese Anlage mit Venezuela.

Warum Venezuela?

Chiriboga: Weil Venezuela Rohölreserven für weitere 400 Jahre hat. Darum ist das eine gute Entscheidung – auch wenn wir deshalb keine weiteren ausländischen Partner an diesem Raffinerieprojekt beteiligen können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2008)

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