Bau: Krankenkassen kassieren Beiträge im Voraus

Neues Gesetz gegen den Sozialbetrug ist fertig: Es kommt eine beschränkte Generalunternehmerhaftung.

Wien.Alleine sogenannte Scheinfirmen am Bau haben im Vorjahr die Krankenkassen um knapp 100 Mio. Euro geprellt. Etwa 600 dubiose Firmen wurden registriert. Sie bieten billige Arbeit an, gehen schnell in Konkurs – und zahlen keinen Cent an Sozialabgaben. Die Drahtzieher agieren im Hintergrund. Kaum einer wurde bisher zur Verantwortung gezogen.

Seit Monaten basteln Sozialpartner, also Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen, gemeinsam mit dem Sozialministerium an einem neuen gesetzlichen Riegel gegen diesen Sozialbetrug. Nun wurde ein Konsens erzielt.

Kernpunkt ist, wie der „Presse“ am Dienstag bestätigt wurde, eine „Auftraggeber-Haftung“. Künftig muss eine Baufirma, die ein Subunternehmen engagiert, 20 Prozent der Auftragssumme sofort an die Gebietskrankenkasse abliefern. Mit der Vorauszahlung entledigt sich der Generalunternehmer auch seiner Haftung für das Subunternehmen. Geht eine Subfirma pleite, schaut die Krankenkasse nicht mehr ganz durch die Finger.

Der Gesetzgeber kopiert damit das 2003 eingeführte Reverse-Charge-System am Bau: Seit die Auftraggeber die gesamte Umsatzsteuer abführen müssen, gibt es keinen Vorsteuerbetrug mehr. Dem Fiskus brachte die Regelung jährliche Mehreinnahmen bei der Umsatzsteuer von bis zu 350 Mio. Euro.

Liste der „braven Baufirmen“

Doch natürlich gibt es Ausnahmen. Denn die „Auftraggeber-Haftung“ entfällt, wenn die Krankenkasse das Subunternehmen als vertrauenswürdig einstuft. Künftig werden die Kassen nämlich HFU-Listen führen. HFU steht für „haftungsfreistellende Unternehmen“. Gemeint sind Unternehmen, die in den vergangenen drei Jahren ordnungsgemäß ihre Beiträge entrichtet haben. Damit werden aber nicht nur unseriöse Unternehmen „bestraft“. Auch für Jungunternehmer am Bau gibt es künftig einen gewissen Startnachteil.

Experten bezweifeln, ob 20 Prozent der Auftragssumme ausreichen, um die Kassen schadlos zu halten. Scheinfirmen findet man vor allem in arbeitsintensiven Bereichen. Dort machen die Lohnkosten 80 Prozent der Auftragssumme aus. Auch der Gesetzgeber hat daran gedacht. Der Betrag kann deshalb per Verordnung des Sozialministeriums jährlich bis 31. Oktober eines Jahres für das folgende Jahr neu festgesetzt werden. Mit dem vorgesehenen Inkrafttreten ab Beginn 2009 wäre eine Anhebung des Prozentsatzes erstmals 2010 möglich.

Die geplante Regelung sieht auch Strafen für Unternehmen vor, die Auskunftspflichten verweigern. Ihnen drohen Geldstrafen von 1000 bis 10.000 Euro, im Wiederholungsfall von 2000 bis 20.000 Euro. Im bisher geplanten Gesetzestext kommt das Wort „Generalunternehmerhaftung“ übrigens nicht mehr vor.

Sozialminister Erwin Buchinger (SPÖ) hat es jedenfalls eilig. Das Paket soll schon kommende Woche im Zuge der 69. ASVG-Novelle dem Ministerrat zum Beschluss vorgelegt werden. Der Haken: Bevor es soweit ist, sind in den kommenden Tagen noch Beratungen mit Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (ÖVP) notwendig, mit dem auch andere Teile der ASVG-Änderung, etwa zu den Pensionen, abgeklärt werden müssen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.04.2008)

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