Data-Mining: Geschäft mit der kommerziellen „Rasterfahndung“

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Die Auswertung von Kundendaten beschert Konzernen Millionengewinne. Der neueste Trend heißt „soziale Netzwerk-Analyse.“

WIEN. Haben Sie sich schon einmal gewundert, warum Sie Ihre Bank mit Ansparplänen beglückt, wenn Sie wenig Geld am Konto haben? Und vertrauen Sie ihr doch größere Beträge an, lassen Investitions-Vorschläge meist nicht lange auf sich warten. Des Rätsels Lösung heißt Data Mining. Unter dem Stichwort verknüpfen Firmen scheinbar zusammenhanglose Kundendaten, um Werbung und Angebote auf den einzelnen Kunden abstimmen zu können.

Wir alle sind öfter mit Data Mining konfrontiert als wir denken. Jeder, der eine Kundenkarte bei einem Handelsunternehmen verwendet, jeder Bankkunde, jeder Versicherungsnehmer kann sicher sein, dass seine Daten derart ausgewertet werden. Für die involvierten Firmen ist das ein Riesen-Geschäft mit jährlichen Zuwachsraten um die 30 Prozent.

Soziale Netzwerkanalysen

Derzeit setzt der Markt einen „hohen dreistellige Millionenbetrag“ um, sagt Markus Gretschmann, Manager vom Statistik-Anbieter SPSS. Seine Kunden seien schnell überzeugt, schließlich könne Data Mining die Effizienz von Werbemaßnahmen um das Fünffache steigern und Kosteneinsparungen bis zu 50 Prozent bringen.

Der aufwendigste Teil der Arbeit ist das Sammeln der Daten. 80 Prozent der Zeit müsse ein Unternehmen darauf verwenden, nur 20 Prozent für die Auswertung, sagt Roland Kurzawa, Er ist „Senior Researcher“ beim E-Commerce Competence Center EC3. Bei der Datenbeschaffung beweisen die Unternehmen viel Kreativität. „Naheliegende Daten wie Alter, Geschlecht und Kontostand sind gar nicht so wichtig“, sagt Kurzawa. Neuerdings seien ganz andere Informationen gefragt.

Der neueste Trend in der Welt der Datenverarbeiter heißt „soziale Netzwerkanalyse“. Kurzawa erzählt, er selbst habe für zwei österreichische Mobilfunkanbieter die Aufgabe übernommen, Meinungsmacher unter den Kunden zu erspähen. Anhand der Gesprächsprotokolle werde kontrolliert, wer wen wie oft und wie lange anruft. Auf diese Weise werden so genannte „Alpha-Kunden“ ausfindig gemacht. Menschen, die in ihrem Netzwerk eine zentrale Rolle einnehmen. Sind sie gefunden, kann sich das Unternehmen entsprechend um sie kümmern.

„Alpha-Kunden muss man ans Unternehmen binden“, sagt Kurzawa. Zu groß sei die Gefahr, dass sie bei einem Anbieterwechsel einen großen Teil ihres Netzwerks mitreißen.

„Privatrechtliche Variante der Rasterfahndung“, nennt Hans Zeger, Obmann von Arge Daten, dieses Vorgehen. Die Verarbeitung so vieler persönlicher Daten erinnere an Aufgaben, die früher der Geheimdienst übernommen hat, meint er. Heute zählt die öffentliche Hand zu den besten Kunden privater Data-Mining-Firmen. Gerade Krankenkassen und Finanzämter seien daran interessiert, mehr über ihre Kunden zu erfahren, erklärt Gretschmann. Ziel sei es, typische Betrugsmuster zu erkennen, damit sich etwa das Finanzamt auf auffällige Steuererklärungen konzentrieren kann. Im internationalen Vergleich hinke Österreich in Sachen Data Mining hinterher. In den USA werde die Methoden spätestens seit 9/11 auch zur „Terrorbekämpfung“ verwendet.

So wundert es wenig, wenn Datenschützer protestieren. Nach Ansicht von Hans Zeger dürfte es Data-Mining „im strengen Wortsinn in Österreich gar nicht geben“. Personenbezogene Daten dürften nur zu vorher bestimmten Zwecken verwendet werden. Für die Verknüpfung der Daten zu neuen Informationen brauche es die Zustimmung des Kunden.

„Es gebe tatsächlich Probleme“, sagt Kurzawa. Nämlich da, wo „Adressen und Datensätze an Dritte verkauft werden.“ Als Data-Mining-Anbieter fühle er sich von der Kritik nicht betroffen. Denn für das Sammeln der Daten sei er nicht zuständig. Das sei schließlich die Aufgabe seiner Kunden.

AUF EINEN BLICK

Kundendaten werden von Konzernen professionell ausgewertet. Beim sogenannten „Data Mining“ geht es nicht mehr um das Ausspionieren von Adressen und Namen. Längst werden von den Kunden soziale Profile erstellt.

Am 6. und 7 Mai findet in Wien eine Data-Mining-Konferenz statt.

http://datamining.ec3.at("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2008)

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