Biotreibstoffe: Fluch oder Segen?

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Die Kritik am Biosprit wird immer lauter. Neue Technologien sollen das ändern. Als vielversprechende Rohstoffquelle gelten Algen.

Wien. Noch vor kurzem galt Biosprit als Allheilmittel für die CO2-Problematik im Verkehr. Sympathische Eigenbrötler, die Salatöl aus dem Supermarkt in die Tanks ihrer selbst umgebauten Dieselautos leerten wurden medial als Prototypen für den neuen umweltfreundlichen Autofahrer dargestellt. Über Nachteile der Biotreibstoffe wurde kaum gesprochen.

Seither ist die öffentliche Meinung jedoch gekippt. Aufgrund mehrerer kritischer Studien wird Biosprit von vielen Seiten inzwischen schädlicher als fossile Treibstoffe angesehen. Sozialminister Erwin Buchinger bezeichnete zuletzt sogar die gesamte Technologie als „Sackgasse“. Dem kann Kurt Döhmel, Chef von Shell Deutschland, nicht zustimmen. „Biosprit ist eine Zukunftstechnologie“, sagte er am Rande des Wiener Motorensymposiums zur „Presse“. Allerdings setzt Shell, wie die meisten Befürworter, auf die sogenannte „zweite Generation“ der Biotreibstoffe. Die wichtigsten Fakten zum Thema Biosprit:

1 Warum ist Biosprit besser für die CO2-Bilanz als fossiler Treibstoff?Bei der Verbrennung von Biosprit entsteht gleich viel CO2 wie bei fossilem Treibstoff. Allerdings wurde dieses CO2 zuvor beim Wachstum der Pflanze aus der Luft geholt. Es würde ebenso freigesetzt werden, wenn die Pflanze einfach verrottet. Daher spricht man von CO2-Neutralität.

2 Warum gibt es trotzdem so starke Kritik an den Biotreibstoffen?Derzeit wird Biosprit aus den Früchten von Lebensmittelpflanzen (Mais, Weizen, Raps) gewonnen. Das sorgt einerseits für ethische Bedenken, andererseits steht Biosprit dadurch in einer direkten Rohstoffkonkurrenz zur Nahrungsproduktion. Die Zunahme von Biosprit ist daher ein Mitgrund für die jüngst kräftig angestiegenen Lebensmittelpreise. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die CO2-Ersparnis wesentlich geringer ist, da in der Produktion der Biotreibstoffe mehr CO2 ausgestoßen wird als bei fossilem Sprit. Die CO2-Einsparung liegt daher je nach Rohstoff zwischen 30 und 80 Prozent. Rechnet man die klimaschädliche Wirkung des beim Düngen entstehenden Lachgases hinzu, kann Biosprit sogar schlechter abschneiden als Benzin und Diesel. Ebenfalls kritisiert wird, dass in südlichen Entwicklungsländern Brandrodungen erfolgen, um Platz für die Biospritproduktion des Nordens zu schaffen.

3 Warum haben ältere Autos Probleme mit Biosprit?Biosprit kann Kunststoffdichtungen und -schläuche älterer Modelle (vor Baujahr 2003) angreifen. Das könnte im schlimmsten Fall zu Motorschäden führen. Bei der derzeitigen Beimischung von fünf Prozent Biosprit zum normalen Treibstoff wird dieses Problem noch nicht schlagend. Bei einer Erhöhung dieser Quote könnten Autofahrer älterer Autos aber gezwungen sein, auf das teurere Super Plus umzusteigen, da bei diesem keine Beimischung erfolgt.

4 Was unterscheidet Biosprit erster und zweiter Generation?Anders als beim derzeit verwendeten Biosprit wird bei der zweiten Generation der Treibstoff statt aus den Früchten, aus Stängeln und Blättern der Pflanzen gewonnen. So können die Früchte für die Nahrungsmittelproduktion verwendet werden. Auch aus Holzabfällen oder Müll soll künftig Biosprit hergestellt werden. Für Biodiesel wird der Rohstoff dabei vergast und dann zu Biodiesel verflüssigt. Für den Benzinersatz Ethanol zersetzen Enzyme den Zellstoff der Stängel und Blätter in Zucker. Aus diesem wird nachher Ethanol destilliert. Diese Biotreibstoffe sind laut Shell über die gesamte Produktionskette gerechnet zu über 90 Prozent CO2-neutral.

5 Wann wird Biosprit zweiter Generation auf den Markt kommen?Biosprit der zweiten Generation befindet sich laut Döhmel noch in einem „Embryonalstadium“. Erst zwischen 2015 und 2020 sollen diese Treibstoffe großflächig am Markt verfügbar sein.

6 Kann Biosprit fossile Treibstoffe komplett ersetzen?Nein. Selbst durch die Effizienzsteigerungen der Biotreibstoffe der zweiten Generation und den Einsatz von Gentechnik gehen seriöse Schätzungen mittelfristig von einem maximalen Anteil zwischen 20 bis 30 Prozent am derzeitigen Verbrauch aus.

7 Welche Zukunftsvisionen gibt es bei Biotreibstoffen?Im Bereich Biotreibstoffe gibt es eine Vielzahl von Forschungsprojekten. Als vielversprechende Rohstoffquelle gelten Algen. Denn diese wachsen so schnell, dass sie ihr Gewicht mehrmals am Tag verdoppeln können. Außerdem könnten die Algenkulturen an bislang ungenutzten Küstenstreifen angelegt werden, wo sie mit keiner anderen landwirtschaftlichen Nutzung konkurrieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2008)

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