Im Ghetto sind wir endlich alle gleich

Imago
  • Drucken

Subtext. Da, wo Österreichs Gutverdiener wohnen, ist auch die Ungleichheit sehr hoch. Auch wenn es niemand hören will: Das ist eine gute Nachricht.

Ökonomen der WU Wien haben eine bemerkenswerte Studie veröffentlicht. Erstmals haben die Forscher dafür auf Basis der Lohnsteuerdaten der Jahre 2004 bis 2011 vermessen, wie gleich oder ungleich die Löhne und Gehälter in Österreichs Gemeinden verteilt sind.
Endlich hat also nicht nur die Republik ihren eigenen Gini-Koeffizienten, auch die Einwohner von Hietzing, Salzburg oder Mattighofen können im Internet nachsehen, wie gleichmäßig die Einkommen in ihrer Nachbarschaft verteilt sind (http://taxsim.wu.ac.at/atineq). Ein Wert von null heißt, dass jeder gleich viel verdient, eins heißt, dass eine Person alles verdient.

Blickt man auf bekannte Gleichheitsstudien, könnte man erwarten, dass die Ungleichheit in den Orten am höchsten ist, in denen die Menschen am wenigsten verdienen. Bei Ländervergleichen ist die Ungleichheit auch in Ländern wie Namibia, Lesotho oder Sierra Leone am größten, während in wohlhabenden Nationen die Löhne eher gleich verteilt sind. Doch Überraschung: Das Gegenteil ist der Fall. Gerade in den Gemeinden, in denen im Schnitt die bestbezahlten Österreicher leben, ist die Ungleichheit besonders hoch. Spitzenreiter bei beiden Werten ist die Wiener Innenstadt mit einem Pro-Kopf-Einkommen von 68.400 Euro und einem Gini-Koeffizienten von 0,52. Auf den Plätzen der „ungleichsten" Gemeinden folgen Gießhübel, Hinterbrühl, Döbling und Hietzing.

Das Ergebnis ist ein gefundenes Fressen für die Arbeiterkammer Wien, bei der einer der beiden Studienautoren mittlerweile beschäftigt ist. Wo Reiche sind, geht die soziale Schere also besonders weit auf. Grund zur Sorge ist das aber nur für jene, die den Fetisch Gleichheit aus reinem Selbstzweck anstreben. Blickt man genauer, was die Zahlen bedeuten, kann man hingegen ruhig weiteratmen. Das Ergebnis heißt nur: Auch in den reichsten Orten sind die Gutverdiener nicht unter sich. Kinder von Reichen gehen weiterhin mit Kindern von ärmeren Österreichern wenn nicht in dieselbe Schule, dann doch immerhin in denselben Park oder in denselben Fußballverein. Und das ist gut so.

Wer aber Gleichheit um jeden Preis fordert, sollte besser aufpassen. Denn dann landen wir alle letztlich in Ghettos. Egal, ob in Slums oder in den eingezäunten Parallelwelten der Reichen. Wo die Menschen am „gleichsten" sind, wird der Traum von der Gleichheit schnell zum Albtraum.

E-Mails an: matthias.auer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.