Arbeitsmarkt: Warum die Guten nicht kommen

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Bis eine Schlüsselkraft eine Arbeitserlaubnis erhält, vergehen oft Monate. Das ist aber nur einer von vielen Stolpersteinen, die Österreich qualifizierten Ausländern in den Weg legt.

Der Mann, den Denjen Schnedl und sein Geschäftspartner engagieren wollten, trug Zeitungen aus und verkaufte Blumen. „Die klassischen Migrantenjobs“, sagt Schnedl, Unternehmer im IT-Bereich. Der Mann war gut integriert, sprach Deutsch, hatte Freunde. „Irgendwann bin ich draufgekommen, dass er eine erstklassige Ausbildung hat.“ Er hat Physik und Mathematik studiert und einen Master in Computerwissenschaften aus Pakistan. Genau so jemanden konnten Schnedl und sein Geschäftspartner brauchen. Er brauchte eine Rot-Weiß-Rot-Karte, die Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung für qualifizierte Fachkräfte. Es folgte ein Marsch durch den Behördendschungel. Schnedl traf sogar den damaligen Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz. Doch da war nichts zu machen.

Die Rot-Weiß-Rot-Karte gibt es seit Juli 2011. Eingeführt, um Topleute aus aller Welt nach Österreich zu holen, erreicht sie oft das Gegenteil: Lange Wartezeiten und ein schwer durchdringbares Behördendickicht halten viele Menschen am Ende doch davon ab zu kommen. 8000 Fachkräfte wurden pro Jahr mit der Rot-Weiß-Rot-Karte erwartet. Ausgestellt worden sind von Juli 2011 bis März 2014 nur 5120.

Das trifft große Konzerne, die im internationalen Wettbewerb stehen und laufend High Potentials suchen genauso wie kleine Firmen. Nur, dass es für Letztere oft noch schwieriger ist. Der Pakistani, den Schnedl beschäftigen wollte, kam letztlich nämlich nach Österreich. Nur nicht in seines, sondern in ein anderes größeres Unternehmen. „Ich führe das auf die Stärke des Konzerns zurück. Wir als Kleinbetrieb hatten keine Chance“, sagt Schnedl.

Laut Gesetz soll die Rot-Weiß-Rot-Karte, wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, binnen acht Wochen ausgestellt werden. Mit der Realität hat das oft wenig zu tun. Da dauert es durchschnittlich zehn bis 15 Wochen. Das wirft Österreich im internationalen Vergleich zurück: Nicht zuletzt, weil der Umfang der zu beschaffenden Dokumente wesentlich höher ist als in anderen europäischen Ländern: In Belgien sind es etwa drei bis sechs, in Frankreich vier bis acht und in Norwegen drei bis sechs Wochen. „In Teilen Deutschlands erhält man binnen fünf, sechs Wochen ein Pendant zur Rot-Weiß-Rot-Karte“, sagt Ewald Oberhammer, der sich als Rechtsanwalt auf Fremdenrechtsfälle spezialisiert hat. In anderen Teilen kann es zwischen zwölf und 15 Wochen dauern.


Schnell zu alt.
Oberhammer unterstützt Unternehmen dabei, ihre Wunschmitarbeiter nach Österreich zu holen. „Die Firmen rufen mich im April an und sagen, sie brauchen eine Arbeitsbewilligung für Mai oder Juni. Die Mobilität der Menschen ist hoch, die Firmen brauchen die Schlüsselkräfte und Mitarbeiter extrem schnell.“ Anforderungen, die der Anwalt nicht bedienen kann – weil das System nicht mitspielt. „Das österreichische System ist nicht mehr modern genug“, sagt Oberhammer. Er zitiert ein internes Ranking, das auf Erfahrungswerten von Experten beruht: Demnach waren die Prozesse zur Gewährung von Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigungen in den Jahren 2004 und 2005 wesentlich schneller als heute. „Österreich fällt zurück.“

Die lange Dauer der Verfahren ist die offensichtlichste Schwierigkeit mit der Rot-Weiß-Rot-Karte. Aber auf dem Weg nach Österreich gibt es viele – und sie liegen oft im Detail. So müssen Anwärter etwa, schon bevor sie nach Österreich kommen, einen „Rechtsanspruch auf eine ortsübliche Unterkunft“ nachweisen. „In der Praxis bedeutet das einen unbefristeten Mietvertrag. Das haben auch viele Österreicher nicht“, sagt Margit Kreuzhuber, bei der Wirtschaftskammer Expertin für die Rot-Weiß-Rot-Karte. Eine Firmenwohnung gilt natürlich auch – aber dieses Privileg hat eben nicht jeder. Eine zweite Tücke: das Alter. Wer über 40 Jahre alt ist und eine abgeschlossene Berufsausbildung habe, komme im Punktesystem der Rot-Weiß-Rot-Karte nicht auf die geforderte Mindestzahl. Selbst wenn man eine ausgewiesene Fachkraft mit viel Berufserfahrung ist und sogar Deutsch kann.

Aktueller Zankapfel in der Regierung ist der Umgang mit Studienabsolventen aus Drittstaaten. Mit einem Bachelor gibt es keine Rot-Weiß-Rot-Karte. Wer einen höheren Abschluss hat, muss zumindest 2000 Euro brutto im Monat verdienen. „Das größte Problem ist die Suchdauer“, sagt Kreuzhuber. Uni-Absolventen haben sechs Monate Zeit für die Jobsuche, die achtwöchige Verfahrensdauer muss noch einberechnet werden. In Deutschland beträgt die Suchfrist 18 Monate. „Die Rot-Weiß-Rot-Karte ist derzeit wie ein attraktives Menü, das zum Teil von einem langsamen, grantigen Kellner serviert wird“, so Kreuzhuber. Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) will den Zugang für Uni-Absolventen lockern, Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) ist aber strikt dagegen.


Kaum Selbstständige.
Kaum Aussichten auf eine Rot-Weiß-Rot-Karte haben Unternehmensgründer. Im Vorjahr gab es 22 positive Gutachten über Anträge Selbstständiger für die Karte. Anwalt Ewald Oberhammer, der seit Jahren in dem Bereich arbeitet, findet diese Tatsache noch alarmierender als die langwierigen Verfahren und Behördenwege. Eine seiner Klientinnen, eine Russin, studierte in Wien Wirtschaft und gründete danach ein Dienstleistungsunternehmen. Weil sie das von den Behörden verlangte Investitionsvolumen nicht benötigt, muss sie nach zwei Jahren Aufbauarbeit nun um die Ausstellung einer Karte bangen.

Internationale Konzerne, sagt Oberhammer, hätten freilich kein Problem, ihre Ableger nach Österreich zu bringen. Klein- und Mittelbetriebe dafür massiv. Das schreckt sie davor ab, sich in Österreich anzusiedeln.

In Zahlen

8000Rot-Weiß-Rot-Kartensollten pro Jahr ausgestellt werden, so die Erwartungen vor der Einführung der Karte im Juli 2011.

5120 Karten wurden tatsächlich ausgestellt – allerdings nicht pro Jahr, sondern von Juli 2011 bis März 2014.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.05.2014)

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