Steuern: Spindeleggers später Triumph

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Finanzminister Michael Spindelegger sorgt sich um Reiche, die Steuern zahlen wollen. Mehr noch sorgt er sich über seine öffentliche Darstellung. Eine Geschichte über Macht, Medien und Missgeschicke.

Damit konnte natürlich niemand rechnen. Da hat das Nachrichtenmagazin „Profil“ doch tatsächlich ein paar prominente und sehr betuchte Österreicher gefunden, die sich darüber beschweren, dass sie zu wenig Steuern zahlen. Zumindest auf der Titelseite sah man ihre Konterfeis neben dem Titel: „Lasst uns bitte zahlen!“
Das Ganze ereignete sich Ende Mai. Und normalerweise heißt es, nichts ist älter als die Zeitung von gestern. Das gilt auch für Wochenmagazine. Doch diesmal war es mit der Normalität zu Ende. Die Geschichte nach der Geschichte entwickelte sich zu einem Lehrbeispiel über Macht, Medien und Missgeschicke.

Denn Vizekanzler Spindelegger konnte offenbar nicht glauben, dass in einem Land, in dem die Steuer- und Abgabenquote bei 45,4 Prozent liegt, noch immer Menschen leben, denen das zu wenig ist. Immerhin zählen wir zu den am höchsten besteuerten Ländern der Welt. Nicht einmal Schweden schafft eine derart hohe Steuerquote. Derart besorgt, schickte sich Spindelegger an, den Steuer-Masochisten einen Brief zu schreiben. Darin teilte er ihnen mit, dass er sie leider enttäuschen muss. „Ich muss Ihren Wunsch, nach einer weiteren Steuer, die Sie bezahlen wollen, leider ablehnen“, schrieb er – und wenige Tage später war dieser Brief in den verschiedenen Tageszeitungen zu lesen.

Und es wurde für den Finanzminister nicht gerade besser. Vor allem der auflagenstarke Boulevard machte sich über Spindelegger lustig. In seinem Schreiben empfahl Spindelegger den prominenten Steuer-Willigen, doch ihr Geld lieber zu spenden. So wie es etwa der Milliardär Bill Gates tue. Freiwillige Spenden für Forschung, Soziales oder die Entwicklungsländer statt freiwilliges Steuerzahlen.

Man hätte Spindelegger für diesen Brief loben können. Weil er der Zivilgesellschaft mehr soziale Kompetenz beimisst als dem überbordenden Sozialstaat. Weil er damit auch zugibt, dass persönliche Verantwortung mehr zählt, als sein soziales Gewissen an den Staat zu delegieren. Weil er damit auch indirekt eingestanden hat, dass unser Sozialstaat auf dem Holzweg ist. Wenn ein Land etwa 70 Milliarden Euro jährlich für Soziales ausgibt, also jeden dritten Steuer-Euro, und Armut und Not trotzdem zunehmen, dann ist es ein eindeutiges Zeichen von Systemversagen. Dann bedienen sich die Falschen an den sozialen Töpfen.
Aber es kam anders. „Spindelegger empört Reiche mit Bettelbrief“, schrieb „Heute“. Der „Bettelbrief“ machte die mediale Runde und brachte viel Spott über den Vizekanzler. Doch die Geschichte geht weiter.

Briefe an Spindelegger. Denn Spindeleggers „Bettelbrief“ erfuhr nicht nur mediales Echo. Einige der von ihm angeschriebenen prominenten Steuer-Masochisten antworteten Spindelegger. Einer von ihnen ist etwa der Künstler Erwin Wurm. Sein Schreiben ging am 6. Juni im Finanzministerium ein und sorgte dort für echte Verzückung. Denn Wurms Brief beginnt mit dem Satz: „Sehr geehrter Hr. Minister, danke für Ihr Schreiben! Ich möchte Sie nur darauf hinweisen, dass es sich dabei grundsätzlich um einen Irrtum handelt, der durch eine ungenaue Wiedergabe meines Interviews verursacht wurde.“ Dass er und andere vermögende Österreicher mehr Steuern zahlen wollen, klinge „angesichts der Realität, die wir in diesem Lande vorfinden wie Hohn“.

Das wenige Geld, das ihm nach Steuern und Abgaben bleibe, wolle nun „die Sozialistische Partei noch einmal durch Vermögenssteuer bzw. Erbschaftssteuer bei der Übergabe an die nächste Generation einstreifen. Das bezeichnete Wort dafür wäre Räuberstaat“. Klingt also nicht danach, als ob Wurm gerne und freiwillig mehr Steuern zahlen möchte. Und auch Richard Lugner antwortete Spindelegger per Mail und distanzierte sich von seiner Huldigung einer Steuererhöhung. „Dass ich für die Einführung einer Vermögenssteuer bin, habe ich nie behauptet und ist die im Profil weitergegebene Darstellung, was meine Person betrifft, unrichtig.“

Auch der Papier-Industrielle Alfred Heinzel schrieb Spindelegger zurück. „Persönlich bin ich natürlich gegen eine weitere Erhöhung von Steuern und Abgaben, zumal Österreich ohnedies – wie bekannt – ein Hochsteuerland ist.“ Heinzel fügt hinzu: „Ich gebe zu, dass die Headline des Profil Artikels (Ausgabe 22) ,Lasst uns bitte zahlen‘ irreführend ist, wenn man jedoch die einzelnen Artikel dazu liest, so müsste es doch unterschiedlich bewertet werden.“
Klingt wie „Spindeleggers später Triumph“. Zumindest für jene, die nach einer irreführenden Headline nicht weiterlesen. Existiert die Geschichte über Reiche, die gerne noch mehr Steuern zahlen möchten, etwa nur in den sozial-romantisch verklärten Köpfen der Journalisten?

Die richtige Antwort lautet: Ja und nein. Natürlich klingt es origineller, wenn Leute mehr statt weniger Steuern zahlen wollen. Aber schon im Untertitel der „Profil“-Coverstory heißt es, dass die Prominenten „höhere Steuern auf Vermögen und niedrigere auf Arbeit“ verlangen. Es geht also im ganzen Artikel um „Umverteilung“ und nicht um „Steuererhöhung“.

Jetzt könnte man über „Steuergerechtigkeit“ treffend diskutieren. Etwa darüber, dass es in diesem Land Menschen gibt, die es trotz der hohen Steuern auf Arbeit geschafft haben, sich im Laufe ihres Lebens (für ihre Kinder und Enkelkinder) ein kleines Vermögen zu ersparen, und die nun mit einer Vermögenssteuer ein zweites Mal für ihren Fleiß bestraft werden sollen. Um sie geht es in dieser Geschichte nicht.

„Wurm und Heinzel, mit denen ich privat gut bekannt bin, haben sich jedenfalls mit keinem Wort bei mir beklagt“, sagt „Profil“-Chefredakteur Christian Rainer. Von „ungenauer Wiedergabe“ könnte keine Rede sein. Alle Zitate seien Wort für Wort autorisiert worden, betont die Redaktion.
Komische Geschichte. Ob da der eine oder andere in Anbetracht eines Vizekanzler-Briefes einfach nur Angst vor der eigenen fiskalen Obsession bekommen hat?

Steuerlast

45,4 Prozent. In nur wenigen Ländern ist die Steuer- und Abgabenquote höher als in Österreich. Sogar Schweden liegt mit 45,0 Prozent bereits hinter uns.
Lohnsteuer. 24,6 Milliarden Euro kassierte der Staat im Vorjahr an Lohnsteuer. 2018 werden es 31,9 Milliarden sein. Die Lohnsteuer wird somit heuer die Umsatzsteuer als wichtigste Einnahmequelle des Staates ablösen.
Umverteilung. Die Hälfte der Beschäftigten in Österreich zahlt schon jetzt überhaupt keine Lohn- und Einkommensteuer. Die obersten zehn Prozent tragen fast 60 Prozent der Steuerlast. 20 Prozent der gesamten Lohn- und Einkommensteuer kommen gar nur vom obersten Prozent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.06.2014)

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