Augmented Reality: Firmen sind die bessere Zielgruppe

(c) Wikitude
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Sie sind mit ihrer Augmented-Reality-App berühmt geworden und haben den Blick auf den Stephansdom mit Zusatzinformationen gespickt. Was wurde eigentlich aus . . . Wikitude?

Vor vier, fünf Jahren haben sie uns einen ersten Eindruck vermittelt, wie die Zukunft einmal aussehen könnte: Wir stehen vor dem Stephansdom, halten das Handy auf ihn, und quasi wie aus dem Nichts erscheinen am Bildschirm zusätzliche Informationen: Wann die Türme gebaut worden sind, wo die Glocken hängen, wie sie heißen, wie schwer sie sind und wann der Stephansdom fast abgebrannt ist.
Und das ist nur der Anfang. Unzählige Zusatzinformationen könnten so abgerufen werden: Fotos über den Bau des Doms, Einordnung der Architektur, vielleicht auch weiterführend, der Stephansdom als Ausgangstour für eine Rundfahrt mit dem Fahrrad in der Stadt. Was hier beschrieben wird, nennt sich Augmented Reality (erweiterte Realität, kurz: AR) und wurde den Österreichern vor allem durch das Salzburger-Start-up Wikitude nähergebracht. Hinter Wikitude stehen Andy Gstoll (CMO), Martin Herdina (CEO) und Martin Lechner (CTO), die mit der gleichnamigen App Touristen und Einheimischen das Reisen und Gehen schmackhafter machen wollten.  Sei es, indem durch die App Wikipedia-Einträge einer Sehenswürdigkeit aufgerufen wurden oder die Anzahl der freien Betten eines Hotels.

Doch nach dem ersten Hype um das Unternehmen (das früher unter dem Namen Mobilizy GmbH firmierte) ist es immer ruhiger um Wikitude geworden. Und das, obwohl das Unternehmen, das von Philipp Breuss-Schneeweiss gegründet wurde, seit 2008 jedes Jahr mehrere Preise gewonnen hat. (Global Champion at Navteq Challenge, World Summit Award etc). Was ist also passiert? Konnte sich die Idee doch nicht durchsetzen?

Neue Strategie. So ungefähr. Wikitude hat das erlebt, was viele Start-ups durchmachen müssen. Es musste sein Geschäftsmodell ändern. „Wir haben es nicht geschafft, die entsprechenden Umsätze mit der App zu generieren“, sagt Gstoll rückblickend. Deswegen hätte das Unternehmen vor zwei Jahren einen Strategiewechsel vollzogen. Zielgruppe sind seither nicht mehr die Endkonsumenten, die mit dem Smartphone durch die Stadt laufen, sondern Firmen und Menschen, die selbst mit Augmented Reality arbeiten wollen. „Wir stellen jetzt die Technologie her, die es ermöglicht, Inhalte in Augmented Reality darzustellen“, sagt Gstoll. Das Start-up hat nun zwei Hauptprodukte. Einerseits Wikitude SDK, einen Software Development Kit, mit dessen Hilfe man seine eigene AR-App für Smartphones, Tablets, selbst für Smart Glasses, bauen kann.

Andererseits das Wikitude-Studio, das ähnlich wie Photoshop für die Bildbearbeitung funktioniert. Jemand ohne Programmierkenntnisse soll möglichst leicht seine AR-Ideen umsetzen können. „Unsere DNA ist die Forschung, unser Team besteht aus Ingenieuren. Wir sind keine Firma, die ein App promoten will“, erklärt Gstoll auch die Motivation für den Strategiewechsel. Die 2009 gelaunchte Wikitude-App gebe es zwar noch, der Fokus der Firma liege aber nicht mehr darauf.

So oder so sind sie mit den neuen Produkten gut im Geschäft. Eben hat Wikitude auf der weltgrößten AR-Messe eine Kooperation mit SAP verkündet. Der große Konzern, der für die Abwicklung von Geschäftsprozessen bekannt ist, wird in Zukunft Informationen (die durch SAP verwaltet werden) mithilfe von Wikitude auf Smart Glasses projizieren. „Vor allem für Menschen, die in der Logistik und im Wartungsbereich arbeiten, ist es oft wichtig, dass sie beide Hände frei haben“, sagt Gstoll. Quasi zur Veranschaulichung wurde auf der Messe ein Helikopter präsentiert, bei dem man via AR-Informationen durch ein Smart Glass sehen konnte, wie die Hubschrauberturbine zerlegt wird.

Im nächsten Schritt will das Unternehmen nun seine Tätigkeiten in Silicon Valley ausbauen (ein Büro gibt es in Palo Alto schon), das Kernentwicklerteam wird aber weiterhin in Österreich bleiben. Finanziell hat Wikitude, laut Gstoll, einen guten Weg eingeschlagen. Man sei in den schwarzen Zahlen, nun wolle man das Unternehmen langfristig profitabler führen. Millionen verdient hat Wikitude, trotz all der visionären Gedanken, nämlich noch nicht.   

Wikitude

Touristen. Bekannt wurde das Unternehmen durch seine Augmented- Reality-App, mit der man Informationen zu verschiedenen Gebäuden in einer Stadt abrufen konnte. Firmen. Mittlerweile hat die Firma ihre Zielgruppe geändert und konzentriert sich nun auf Firmen, die selbst mit AR arbeiten wollen.
www.wikitude.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.06.2014)

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