EVN-Chef: „Die Gefahr einer Stromknappheit droht“

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Energie. In zehn Jahren könnte Elektrizität in Europa zur Mangelware werden, sagt EVN-Chef Burkhard Hofer.

Die Presse: Die Regierung hat am Mittwoch eine verstärkte Subventionierung von Grünstrom beschlossen. Wie interessant ist das Thema Ökostrom für die EVN?

Burkhard Hofer: Das Thema ist für die ganze Branche wichtig. Denn es gibt ein dramatisches Bild hinsichtlich der CO2-Ziele. Österreich ist bisher weit von diesen entfernt. Ich vermisse daher einen klaren Plan. Beispiel Wasserkraft: Es wird immer gesagt, man bekennt sich dazu. Sobald es aber ein konkretes Projekt gibt, wird oft zu stark auf NGOs oder künftige Wahlen Rücksicht genommen.

Haben Ihrer Meinung nach Bürgerinitiativen und NGOs zu viel Einfluss?

Hofer: Sie sollen ihren Standpunkt einbringen. Aber am Ende des Tages muss es eine Interessensabwägung geben. Und wenn wir hohe Klimaziele haben, dann sind Prioritäten zu setzen. Das gilt für den Ausbau der Wasserkraft und die Nutzung sonstiger Alternativen.

Und wie sieht es mit dem eigenen Engagement der EVN bei diesen Alternativen aus?

Hofer: Wir haben uns bei allen alternativen Erzeugungsquellen bereits intensiv engagiert und werden das auch weiter tun. Es hängt aber von den Rahmenbedingungen ab. Wenn eine dieser Alternativen heute noch nicht wirtschaftlich ist – sie aber gebraucht wird, um die Klimaziele zu erreichen – muss man sie halt für eine begrenzte Zeit fördern. Aber man muss bei diesen Fördermaßnahmen auch die energiewirtschaftliche Sinnhaftigkeit prüfen und nicht irgendwelchen Interessensgruppen ein Einkommen verschaffen. So kann es nicht sein, dass Biogasanlagen irgendwo in die Landschaft gestellt werden, wo die wertvolle Abwärme nicht genutzt werden kann.

Wie groß ist der Ökostrom-Anteil der EVN?

Hofer: In der eigenen Erzeugung haben wir nahezu 30 Prozent. Das ist vor allem Wind, Biomasse und Strom aus Müllverbrennung.

Können die Klimaschutzziele überhaupt erreicht werden?

Hofer: Allein mit dem Neubau von Ökostromanlagen nicht. Dafür bedarf es auch einer starken Einsparung beim Verbrauch. Man muss aber bedenken, dass Energieeinsparung nicht zwangsläufig eine Verringerung des Stromverbrauchs bedeutet. So sind Wärmepumpen eine sehr sparsame und sinnvolle Art Häuser zu beheizen. Sie werden aber mit Strom betrieben, der fossile Energien wie Öl oder Gas ersetzt.

In anderen Ländern werden die Energieversorger verpflichtet, für Einsparungen beim Stromverbrauch zu sorgen. Was halten Sie davon?

Hofer: Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um zu diesem Ziel zu kommen. Wir sind eher für freiwillige Vereinbarungen. Es ist halt problematisch, wenn nur die leitungsgebundenen Energieversorger herausgegriffen werden, denn ein guter Teil des Energieverbrauchs kommt vom Verkehr.

Wer ist aus Ihrer Sicht in der Pflicht, um für mehr Effizienz zu sorgen? Der Staat, die Versorger oder die Kunden?

Hofer: Bei der Effizienz kann man niemanden ausnehmen. Der Staat muss für die gesetzlichen Rahmenbedingungen sorgen. Für eine effiziente Energieerzeugung – beispielsweise die sinnvolle Wärmenutzung – sind die Versorger zuständig. Und bei der Anwendung ist der Konsument in der Pflicht. Wir unterstützen hier durch Beratung.

Österreich ist seit 2001 Nettostromimporteur. Seit kurzem ist auch Deutschland von Importen abhängig. Werden wir in Europa einmal eine Stromknappheit haben?

Hofer:Diese Gefahr droht zweifellos. Wenn man die Entwicklung in Deutschland und anderen europäischen Staaten sieht, dann fragt man sich, woher die Energie kommen wird. Österreich hat hier grundsätzlich eine schlechtere Ausgangsposition, da es auf die Nutzung von Atomstrom verzichtet hat. In Anbetracht der Ressourcen eine wahrscheinlich richtige Entscheidung. Aber ohne Atomstrom würde es in Mitteleuropa derzeit sehr schlecht aussehen, dann gäbe es bereits einen extremen Mangel. Österreich ist dank Wasserkraft noch um einiges besser dran.

Wann könnte es knapp werden?

Hofer: Das hängt sehr mit dem Ausstieg aus der Nutzung der Atomenergie in Deutschland ab und davon, ob es thermische Ersatzkraftwerke geben wird. Ein Zeitpunkt ist schwer zu sagen. Aber so in zehn Jahren könnte es zu einem Problem werden.

Kann diese Verknappung des Stroms auch zu Preisausschlägen führen?

Hofer: Die Ausschläge gibt es bereits jetzt ständig. Im Tagesverlauf natürlich, aber auch bereits über Wochen und Monate. Die Energieversorger gleichen das gegenüber dem Kunden aber aus.

Wäre es sinnvoller, das wie beim Erdöl an die Konsumenten weiterzugeben, damit sie darauf auch reagieren und weniger verbrauchen, weil der Strom teuer ist?

Hofer: Das lässt sich beim Strom nicht so leicht machen. Für Preisänderungen brauchen wir aufgrund der langfristigen Verträge Vorlaufzeiten von rund zwei Monaten.

Apropos lange Vorlaufzeiten: Die Konsolidierung der heimischen Strombranche wird seit Jahren ergebnislos diskutiert. Zuletzt gab es eine Annäherung zwischen Verbund und EVN. Wird es in Österreich noch zu einer Konsolidierung kommen?

Hofer: Im Vergleich zu unseren ausländischen Konkurrenten haben wir eine sehr zersplitterte Struktur. Es besteht daher ein Konsolidierungspotenzial und das sollte auch genutzt werden, um international wettbewerbsfähig zu sein. Aber sobald nur irgendjemand eine Idee in diese Richtung hat, wird sofort gerufen: „Da wird der Wettbewerb beschränkt.“ Wir müssen in Österreich einmal umdenken und dürfen nicht bloß unser Staatsgebiet sehen. Sonst können die heimischen Firmen nie wachsen – denn dafür muss man auch im Inland eine gewisse Größe erreicht haben. Zudem gibt es ja zunehmend einen europäischen Strommarkt.

Warum gibt es dann aber so gut wie keine ausländischen Anbieter in Österreich?

Hofer: Der Strommarkt in Österreich ist deswegen nicht so international, da wir einen sehr niedrigen Strompreis und geringe Margen haben. Zum Teil haben ausländische Gesellschaften ja auch bereits Fuß gefasst. Die RWE wird nur nie aus Deutschland agieren, sondern das über die Kelag machen. Denn dort sind sie ja beteiligt. Und die EdF (Electricité de France) macht das gleiche über die Estag.

Man hat aber nicht das Gefühl, dass sich die heimischen Landesgesellschaften groß auf die Füße treten.

Hofer: Eine Zeit lang hat es in Österreich ja sogar Haustürgeschäfte gegeben. Aber es rechnet sich aufgrund der niedrigen Margen einfach nicht. Viele glauben, es muss sich so abspielen wie in der Telekommunikation. Die hat aber kein Vorprodukt. Wenn der Mast steht, können sie mit dem Preis auch runtergehen. Wir müssen den Strom teuer produzieren. Wir – als EVN – sind am Markt tätig, haben sogar eine eigene Billigschiene. Ich wüsste nicht, was wir mehr tun können.

Wie erklären Sie sich dann die ständige Kritik am fehlenden Wettbewerb in Österreich?

Hofer: Wir verstehen das nicht. Möglicherweise glaubt man, allein an Hand der Wechselraten die Intensität des Wettbewerbs ablesen zu können. Das ist aber kein Indikator. Wenn ich günstig bin, wechseln die Kunden nicht. Daher sind auch die Wechselraten niedrig. Länder mit hohen Raten – wie Großbritannien – haben auch viel höhere Margen.

Laut den Bilanzen verdienen die E-Konzerne aber nicht gerade schlecht.

Hofer: Aufgrund der Regulierung werden die Netzgebühren ja ständig geringer. Die Realität sieht daher bereits deutlich schlechter aus als die vergangenen Bilanzen. Im Vergleich zu anderen Handelsunternehmen – und nichts anderes sind wir beim Stromverkauf – haben wir sehr geringe Margen.

ZUR PERSON

Burkhard Hofer ist seit 2005 Vorstandssprecher der EVN. Der 63-jährige Jurist arbeitet seit 1980 beim niederösterreichischen Landesenergieversorger.

Den selbstbewussten Kurs der EVN seines Vorgängers Rudolf Gruber führt er fort. Im Auftritt ist der dabei – zumindest nach außen hin – aber konzilianter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.05.2008)

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