OECD-Bericht: Milliardenkosten durch Depressionen

(c) Clemens Fabry
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Psychische Erkrankungen verursachen in Österreich volkswirtschaftliche Kosten von elf Mrd. Euro. Trotzdem gibt es lange Wartezeiten, um einen Therapieplatz zu bekommen.

Wien. In Österreich leidet jeder Fünfte einmal im Leben an einer Depression. Auch Panikattacken, Alkoholsucht und Angststörungen nehmen zu. Laut OECD-Bericht kosten psychische Erkrankungen in den entwickelten Industriestaaten vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts. In Österreich kommt man auf 3,5 Prozent. Das sind rund elf Milliarden Euro. In dem Betrag sind neben den medizinischen Behandlungen auch die Ausgaben für Krankenstände, Arbeitslosigkeit und Frühpensionierungen enthalten. Trotz der immensen Kosten werde die Versorgung von psychisch Kranken in vielen Ländern vernachlässigt, kritisiert die OECD.

So konzentriere sich die Gesundheitspolitik überproportional auf schwere psychische Leiden. Doch leichtere bis mittlere psychische Beschwerden – diese machen laut OECD-Angaben den größten Teil aus – werden kaum berücksichtigt. „Das ist auch mein Eindruck“, sagt Peter Stippl, Vizepräsident des Österreichischen Bundesverbands für Psychotherapie.

Schwere Erkrankungen werden unter anderem in der Psychiatrie behandelt. Dem OECD-Bericht zufolge stehen in Österreich 77 Krankenbetten in einer psychiatrischen Einrichtung für 100.000 Einwohner zur Verfügung. Österreich liegt damit über dem OECD-Durchschnitt von 68 Krankenbetten.

Wer ein leichtes bis mittleres psychisches Leiden hat, geht zuerst zum Hausarzt und holt sich Medikamente. Pro Jahr erhalten 840.000 Österreicher Psychopharmaka verschrieben, davon sind zwei Drittel Antidepressiva. „Nachholbedarf gibt es bei der Finanzierung von Psychotherapien“, sagt Stippl.

Psychotherapie ist ein staatlich anerkannter Gesundheitsberuf. Die Ausbildung und die Ausübung des Berufes sind gesetzlich geregelt.

Probleme bei der Finanzierung

Im Jahr 2001 führten die Krankenkassen Kontingente für Psychotherapie ein. Weil der Bedarf wesentlich größer ist, sind die Kontingente rasch ausgeschöpft. Schlimm ist die Situation bei Kindertherapien. Hier bestehen Wartezeiten von bis zu eineinhalb Jahren. Pro Jahr finanzieren die Krankenkassen in ganz Österreich 500.000 Psychotherapiestunden. Damit können lediglich 35.000 Menschen behandelt werden.

Wer die Psychotherapie privat bezahlt, kann bei der Krankenkasse einen Zuschuss von 21,80 Euro pro Stunde beantragen. „Dabei kostet eine Therapiestunde zwischen 70 und 100 Euro“, sagt Stippl. Zudem sei der Zuschuss von 21,80 Euro seit 20 Jahren nicht aufgestockt worden. Wo besteht der Unterschied zwischen schweren und mittleren psychischen Erkrankungen? Als Beispiel nennt Stippl Alkoholkranke. In Österreich gibt es rund 300.000 Alkoholkranke, die behandelt werden sollen und deren Beschwerden als schwer einzustufen sind. Hinzu kommen 700.000 Österreicher, die Alkohol in einem gesundheitsschädlichen Ausmaß konsumieren. Mit Alkohol und diversen Süchten versuchen die Betroffen meist, andere Probleme (wie Depression oder Einsamkeit) zu bekämpfen. In einer Psychotherapie wird daher neben dem Alkohol auch das Grundproblem behandelt.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt, dass Depressionen in den führenden Industriestaaten schon bald auf Platz eins liegen und Herz-Kreislauf-Krankheiten verdrängen werden.

In aller Munde ist auch Burn-out. Wird ein Burn-out früh erkannt und rasch behandelt, entstehen pro Person volkswirtschaftliche Gesamtkosten von 1500 Euro bis 2300 Euro, heißt es in einer Studie der Johannes Kepler Universität Linz. Bei einer späten Diagnose – mit monatelangen Krankenstände und intensiven Therapien – erhöhen sich die Kosten auf bis zu 130.000 Euro.

AUF EINEN BLICK

Studie. Die Industriestaaten-Organisation OECD hat einen 246 Seiten umfassenden Bericht über die volkswirtschaftlichen Kosten von psychischen Erkrankungen veröffentlicht. „Die epidemiologischen, sozialen und ökonomischen Belastungen durch psychische Erkrankungen in den OECD-Staaten sind enorm“, so die Experten. Weltweit werden die Kosten auf 1842 Milliarden Euro geschätzt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2014)

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