US-Automarkt: Die abgesagte Diesel-Revolution

(c) AP (Ed Reinke)
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2008 sollte das Jahr der Diesel-Autos werden. Doch die hohen Treibstoff-Preise machten die Träume zunichte.

Washington. „Hey, wissen Sie, was Sie da tun? Das ist nur für die großen Jungs.“ Der Lkw-Fahrer in typisch abgewetzter Jean und Baseball-Kappe ist sichtlich irritiert. Da steht ein kleiner VW Passat und blockiert die Zapfsäule für die „großen Jungs“. „Sie werden das Auto ruinieren.“ Die Sorge ist verständlich: Wenn ein Fahrzeug in den USA Diesel tankt, dann nur ein Lkw. Ein Pkw, der mit Diesel fährt, hat hier Seltenheitswert.

Weniger als fünf Millionen der 247 Millionen Autos in den USA sind Dieselfahrzeuge – die meisten davon große Pick-Ups, die von Bauern und Ranchern verwendet werden. Von den Zahlen in Europa, wo etwa die Hälfte aller Autos mit Diesel fährt, ist man weit entfernt. Pkw in Dieselversion gibt es in den Vereinigten Staaten zur Zeit überhaupt nur von Volkswagen (Touareg V10-TDI) und Mercedes.

Das sollte sich in diesem Jahr ändern. Audi, BMW, Honda, Mercedes, Nissan, Subaru, VW – alle wollen ab Ende 2008 Dieselmodelle anbieten. Oder eher wollten. Denn die aktuellen Dieselpreise machen sämtliche Träume von einer Revolution auf dem US-Automarkt zunichte: Für eine Gallone (3,78 Liter) Diesel bezahlt man derzeit in den USA 4,90 Dollar. Eine Gallone Normalbenzin kostet dagegen nur 3,90 Dollar.

„Bei solchen Preisunterschieden überlegen sich die Kunden zwei Mal, ob sie einen Diesel kaufen“, meint George Peterson von der Consultingfirma AutoPacific. Das Faktum, dass ein Diesel weniger verbraucht als ein Benziner, sei nicht allgemein bekannt. „Viele Käufer richten sich schlicht danach, welche Zahlen sie an der Tankstelle sehen.“

Aufklärung über Dieselmotoren

Diese Zahlen haben auch Auswirkungen auf die Autohersteller. Die stetig steigenden Dieselpreise ließen Subaru die Einführung einer Dieselvariante für 2008 wieder absagen. Nissan und Honda schweigen auf die Frage, ob sie den Sprung ins kalte Wasser nun wagen oder nicht. Nur die deutschen Hersteller halten noch tapfer an ihren Plänen fest.

„Wir werden ab Juni den Jetta als Dieselmodell anbieten. Anfang 2009 kommt dann ein Touareg V6-Diesel dazu“, erklärt Clark Campbell von Volkswagen USA. Bis 2006 verkaufte man auch einen Passat Diesel. Die Einführung der neuen Modelle werde man mit einer speziellen Werbekampagne begleiten, die die Vorzüge dieses Antriebs erklären soll.

Das wird dringend notwendig sein. Schon in den 70er- und 80er-Jahren versuchte man, den Amerikanern Diesel schmackhaft zu machen. Doch die Autos – vor allem die der US-Hersteller – waren laut, stinkten, beschleunigten schlecht und stießen Rauchwolken aus, als ob sie mit Kohle angetrieben werden. Der schlechte Ruf ließ den US-Dieselmarkt in den 90er-Jahre völlig zusammenbrechen.

„Wir haben in erster Linie junge Käufer, für die sind die Probleme von früher kein Thema“, meint Campbell. Doch die hohen Dieselpreise sind es. „Das ist eine Herausforderung“, gibt Bob Moran von der Mercedes-Niederlassung in New Jersey zu. Die Stuttgarter wollen ab Oktober R-, GL- und ML-Dieselmodelle anbieten. Man sehe die Dieseleinführung als ein „langfristiges Projekt“, erklärt Moran vorsichtig.

Geringe Verkäufe

Schon jetzt bietet Mercedes vier Diesel-Pkw in den Vereinigten Staaten an. Das Interesse daran hält sich freilich in sehr engen Grenzen. 13.000 Stück verkaufte man im Jahr 2007 (von insgesamt 253.433 verkauften Mercedes-Fahrzeugen). Volkswagen steckt sich für seine Dieseloffensive auch nicht unbedingt hochtrabende Ziele: 30.000 will man im kommenden Jahr an den Mann bringen (2007 verkaufte VW: 230.672).

Wie mikroskopisch klein diese Zahlen sind wird klar, wenn man den amerikanischen Automarkt betrachtet: Im vergangenen Jahr wurden in den USA insgesamt 16,4 Millionen Fahrzeuge verkauft. Toyota setzte von seinem Mittelklassewagen Camry allein im April dieses Jahres 40.016 Stück ab.

Diesel als Zeichen von Exklusivität hat auch eine Firma aus Florida für den überdimensionalen Geländewagen Hummer entdeckt und damit die Idee eines Dieselantriebs erfolgreich pervertiert. Sie baut in den SUV einen Dieselmotor mit einem Hubraum von 6,6 Litern und einer Leistung von 800 PS ein. Auf 100 Kilometer verbraucht der Hummer 18 Liter.

ZAHLEN

247 Millionen Autos sind in den USA zugelassen, davon fahren weniger als fünf Millionen mit Diesel.

Mercedes bietet derzeit vier Dieselmodelle in den Vereinigten Staaten an, von denen die Firma im vergangene Jahr 13.000 Stück verkaufte. Insgesamt wurden 2007 in den USA 16,4 Millionen Fahrzeuge verkauft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2008)

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