Staatsschuld: Die Schuldenblase platzt auf

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Die Einrechnung bisher versteckter Staatsschulden und die Bad Banks für Kommunalkredit und Hypo Alpe Adria lassen die Staatsschuldenquote heuer von 74,5 auf 87 Prozent des BIPs hochschnellen.

Wien. Die europaweite Neuberechnung wichtiger volkswirtschaftlicher Kennzahlen beschert Österreich eine böse Überraschung: Die Staatsschuldenquote lag 2013 nicht, wie nach der alten Methode berechnet, bei 74,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), sondern bei rekordverdächtigen 81,2. Und es kommt noch schlimmer: Heuer wird die Abbaugesellschaft für die Hypo Alpe Adria (Bad Bank) die Staatsschuldenquote in die Gegend von horriblen 87 Prozent des BIPs hochtreiben.

Allerdings: Wir sehen hier keine Staatsschuldenexplosion, sondern nur die Hinwendung zu etwas mehr Ehrlichkeit und Transparenz. Die Schulden sind ja schon da, sie konnten bisher nur in aus dem Budget ausgelagerten Gesellschaften versteckt werden. Nach dem ab sofort europaweit verpflichtenden ESVG 2010 (ESVG steht für Europäisches System der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung) müssen nun die Schulden aller ausgelagerten Unternehmen mit mehr als 50 Prozent öffentlichem Anteil der Staatsschuld zugerechnet werden.



Im Vorjahr schlägt das mit einer schuldenerhöhenden Wirkung von 28,7 Milliarden Euro zu Buche, sodass der offizielle Staatsschuldenstand Ende 2013 laut Statistik Austria 262 Milliarden Euro ausgemacht hat. Heuer kommen noch mindestens 17,5 Milliarden (wenn es dumm läuft, bis zu 20) aus der in Gründung befindlichen Bad Bank für die Hypo Alpe Adria dazu. Und ein paar Milliarden aus dem laufenden Defizit, sodass die Staatsschulden Ende des Jahres jenseits der 280-Milliarden-Euro-Marke liegen werden.

ÖBB als größer Schuldentreiber

Im Vorjahr waren die größten Schuldentreiber die ÖBB, die 10,5 Milliarden Euro in den Staatsschuldenstand transferieren mussten, und die KA Finanz (die Bad Bank der Kommunalkredit), die 7,2 Milliarden zum Schuldenstand beisteuerte. Hineingenommen werden mussten auch die Bundesimmobiliengesellschaft (3,8 Milliarden), diverse Holdinggesellschaften, Krankenanstalten und die Wiener Linien. Immerhin drei Milliarden scheinen jetzt in der Staatsschuld auf, die bisher in 1276 ausgegliederten Gemeindegesellschaften versteckt waren.

Die Gemeinden (und teilweise die Länder) sind in Sachen Staatsschuld aber noch immer eine Art Terra incognita: Mangels einheitlicher Rechnungslegung gibt es noch immer keinen echten Gesamtüberblick über deren Gebarung. Finanzminister Hans Jörg Schelling hat gestern allerdings erneut betont, dass er kurzfristig für Transparenz in diesem Bereich sorgen werde.

Bei der Neuberechnung wurde übrigens klar, welche Riesenverwüstung die Banken im Budget angerichtet haben: Zwar geht die Belastung aus dem Bankenrettungspaket seit dem Krisenjahr 2009, als die Geldbranche die Staatsschuld um 26 Milliarden Euro erhöht hat, kontinuierlich zurück. 2013 lag die Schuldenbelastung aus dem Bankenpaket aber immer noch bei 18,6 Milliarden Euro. Die 17 bis 20 Milliarden für die Hypo-Bad-Bank sind darin übrigens noch nicht enthalten. Ohne Bankenkrise samt anschließender Rettung durch die Steuerzahler würde die Staatsschuld heuer also um gut zehn BIP-Prozentpunkte niedriger sein.

Budgetpfad nicht betroffen

Wenn die Rechnung mit der Teilverwertung der Bad Banks aufgeht, wird deren Anteil an den Staatsschulden in den kommenden Jahren freilich wieder zurückgehen. Die Staatsschuldenquote wird dadurch aber nicht notwendigerweise sinken. Denn die Infrastrukturschulden der ÖBB müssen jetzt ja voll in die Staatsschuld eingerechnet werden. Auch der 30-prozentige Eigenanteil der Bahn an den Investitionen, den das Infrastrukturministerium bisher angenommen hat, wird vom neuen volkswirtschaftlichen Rechenwerk nicht anerkannt. Und die Bahnschulden steigen in nächster Zeit wegen der umfassenden Tunnelbauten um gut zwei Mrd. Euro im Jahr.

Während die neue Rechenmethode die Staatsschuldenquote geradezu explodieren lässt, hat sie auf die laufenden Budgetdefizite keine nennenswerten Auswirkungen. Der Budgetpfad der Regierung ist also nicht betroffen, der bisherige Schuldenabbauplan ist aber Makulatur. Auf die Steuerreformpläne soll das alles, wie die Regierungsspitzen gestern betonten, keine Auswirkungen haben

("Die Presse", Printausgabe vom 1.10.2014)

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