Währungshüter löschen Feuer mit Benzin

(c) AP (Charles Rex Arbogast)
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An den Märkten bilden sich neue Spekulations-blasen. Ermöglicht wurde deren Entstehen nicht zuletzt von Notenbanken, die seit geraumer Zeit reichlich billiges Geld bereitstellen.

Bald wird ein Jahr darüber hingegangen sein, seit sich im ausklingenden Sommer des Jahres 2007 erste Turbulenzen in den US-amerikanischen Hypothekar- und Finanzmärkten in eine veritable Krise zu verdichten begonnen hatten. Diese hat Dimensionen angenommen, die bis dahin kaum jemand für möglich gehalten hatte. Wieweit es inzwischen gelungen sein könnte, die Krise einzudämmen, die drohenden Inflationsgefahren zu bannen, die Wachstumskräfte der betroffenen Volkswirtschaften und somit die globale Konjunktur unversehrt zu erhalten, ist noch nicht im entferntesten abzuschätzen.

Skepsis bleibt angebracht. Denn anzunehmen, mit den gegen die Krise eingesetzten Instrumenten seien nationale und internationale Finanzinstitutionen in die richtige Richtung unterwegs, setzte voraus, dass man bei der Krisenursachen-Forschung am richtigen Punkt angesetzt habe. Wenn die Öffentlichkeit indes stets zu hören bekommt, die Krise sei vom Zusammenbruch des US-Immobilienmarktes ausgelöst, dieser und die explosionsartige Ausbreitung der Krise von gierigen Bankmanagern verursacht worden, dann ist das bestenfalls ein kleiner Teil der Wahrheit.

Zu viel Geld im Umlauf

Das vor Ausbruch der Krise lebhaft expansive Kreditgeschäft der Banken, damit einhergehend Preise für Güter und Dienstleistungen, die zu steigen und Inflationscharakter anzunehmen beginnen, und das auf dem Hintergrund steigender defizitfinanzierter Staatsausgaben, deuten so gut wie immer darauf hin, dass zu viel Geld im Umlauf ist.

Für die Geldversorgung der Wirtschaft verantwortlich sind die Noten- bzw. Zentralbanken. Daher würde sowohl die Ursachenforschung als auch die Krisenbekämpfung an diesem Punkt anzusetzen haben. In diese Richtung weisende Äußerungen gibt es indes nur wenige. Notenbanken und Notenbankpolitik sind heikle Themen, weil untrennbar mit höchst politischen Fragen verbunden. Wie unabhängig von staatlichen Institutionen dürfen bzw. sollen Notenbanken sein und operieren können? Was sollen die Prioritäten ihrer Geldpolitik sein?

Washington ist nicht Frankfurt

Für die Europäische Zentralbank (EZB) sind das keine relevanten Fragen. Sie ist politisch strikt unabhängig. Die absolute Priorität ist die Preisstabilität. Das amerikanische „Fed“ (von Federal Reserve System) dagegen schaut auf Preisstabilität nicht in erster Linie. Seine Prioritäten sind höchstmögliche Niveaus von Konjunktur und Beschäftigung sowie – indirekt und unausgesprochen – die reibungslose Finanzierung des Staatshaushalts (man könnte auch sagen: der globalen politischen und militärischen Position der USA).

Für all das hat das Fed unter seinem langjährigen früheren Chef Alan Greenspan die US-Wirtschaft überreichlich mit „Liquidität“ zu niedrigen Zinssätzen (populärer ausgedrückt: mit billigem Geld) versorgt und tut dies auch unter seinem Nachfolger Ben Bernanke.

Zu den Folgen dieser Politik gehörten der inflationäre Kursauftrieb für Aktien von High-Tech-Firmen in den 90er-Jahren des vorigen Jahrhunderts ebenso wie der US-Immobilienboom, die staunenswerten Erfolgsgeschichten der Hegdefonds, spektakuläre Fusionen sowie zahlreiche Fälle, in denen ganze Unternehmen die Besitzer wechselten. Der hierzulande prominenteste Fall ist jener der Bawag.

Bei all dem war auf der Käuferseite relativ wenig Eigenkapital im Spiel, und die Transaktionen wären wohl nicht so bald zustande gekommen, wenn die Banken nicht die zur Vorfinanzierung notwendigen Kredite hätten locker machen und sich dafür bei anderen Banken im Weltfinanzsystem hätten refinanzieren, d.h. das Kreditrisiko hätten umverteilen können. Die Welt-Finanzmärkte sind in Liquidität förmlich geschwommen, auch eine Folge des Heranwachsens neuer Wirtschaftsmächte im Zuge der Globalisierung.

„Fed“ gibt sich locker

Das Entstehen und das Platzen solcher „Blasen“ auf den Märkten der Vermögenswerte scheint das „Fed“ nicht besonders beunruhigt zu haben. Dagegen anzugehen sei nicht Sache der Geldpolitik, weil die für einen Eingriff nötigen detaillierten Daten fehlten, so die Doktrin Greenspans und seines Nachfolgers Bernanke. Sache des Fed sei es hingegen, beim Aufräumen der Scherben zu verhindern, das die Finanzkrise auf die Realwirtschaft übergreife und die Konjunktur beschädige.

Deswegen pumpt das Fed erneut Abermilliarden billigen Geldes in die US-Wirtschaft und bedient sich damit zur Bekämpfung der Finanzkrise eben jenes Instruments, mit dem die Krise herbeigeführt wurde. Dass diese Art der Krisenbekämpfung mit einem „Mehr vom Gleichen“ erst recht Unerwünschtes, nämlich Inflation, herbeiführen werde, ist eine in der Fachwelt gängige Meinung. Und dass man das Entstehen einer weiteren „Blase“ an den Börsen zu gewärtigen habe, auch.

Angesichts der Vorgänge auf den Rohwarenmärkten scheint klar, dass das Entstehen und Wachsen einer neuen Spekulationsblase in vollem Gange ist und börsentäglich an Wucht gewinnt: Das ist unschwer aus dem stürmischen Rohöl-Preisauftrieb zu schließen. Den Aussagen der Untergangspropheten zum Trotz ist es jedoch kaum wahrscheinlich, dass diese Entwicklungen in erster Linie Knappheiten infolge zu Ende gehender Vorräte abbilden.

Auch die „Erdölblase“ signalisiert, dass das Welt-Finanzsystem unter einem Zuviel an Liquidität leidet. Sie signalisiert Inflation. Sie signalisiert ziemlich verlässlich auch „Gefahr in Verzug“! Wenn die führenden Wirtschaftsmächte und ihre Notenbanken der Kette der – einander in unschöner Regelmäßigkeit folgenden – Finanzkrisen im Ernst ein Ende machen wollten, werden sie mit dem Erfinden immer neuer Regulierungen der Finanzmärkte und solchen Unsinnigkeiten wie Transaktions- bzw. Spekulationssteuern nicht das Auslangen finden.

Geld muss knapper werden

Sie werden an der Quelle ansetzen und zur Verknappung der Geldversorgung ihrer Volkswirtschaften übergehen müssen. Das wäre ein Signal, das die „Marktteilnehmer“ sehr rasch verstehen und der Korrektur spekulativer Engagements zu Grunde legen würden.


*Karl Graber war langjähriger Leiter des „Presse“-Wirtschaftsressorts und danach Österreich-Korrespondent der Neuen Zürcher Zeitung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.06.2008)

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