Mehr Insolvenzen in Österreich: Ölpreis treibt Pleitewelle an

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Insolvenz-Experten schlagen Alarm. Im zweiten Quartal nahm die Zahl der Unternehmenspleiten unerwartet zu. Erstmals seit sechs Quartalen gab es wieder mehr Pleiten. Ursache seien steigende Energiekosten.

WIEN (g.h./b.l.). „Wir stehen vor einer Trendwende bei den Firmenpleiten“, warnt Hans-Georg Kantner vom Kreditschutzverband von 1870 (KSV). Zwar weist die Bilanz des ersten Halbjahres unterm Strich noch um fünf Prozent weniger Insolvenzen aus (insgesamt 3136) als in den ersten sechs Monaten des vergangenen Jahres. Auch die Gesamtverbindlichkeiten waren mit 1,1 Mrd. Euro leicht rückläufig. Doch im zweiten Quartal nahm die Zahl der Pleiten derart rasant zu, „dass wir am Ende des Jahres froh sein müssen, wenn wir das Vorjahrsniveau halten“, meint der Insolvenz-Experte und fügt hinzu: „Eher wahrscheinlich ist, dass die Insolvenzen heuer um zwei Prozent zunehmen.“

Somit gibt es erstmals seit sechs Quartalen in Österreich wieder eine Zunahme bei den Firmenpleiten. Zuvor hatte sich die gute Konjunktur auch positiv in der Insolvenz-Statistik niedergeschlagen.

Banken weniger finanzierfreudig

Doch plötzlich ist die gute Stimmung vorbei. Der Kreditversicherer Prisma warnte bereits im Mai vor einem Anstieg der Insolvenzen in Italien um 27 Prozent im heurigen Jahr. Auch in Skandinavien fürchten Experten in Zukunft eine Pleitewelle. Besonders gefährdet sei Norwegen, wo man mit einem Anstieg von 20 Prozent bei den Pleiten rechnet. Österreichs Wirtschaft habe sich bisher aufgrund ihrer Präsenz auf den osteuropäischen Märkten von solchen Strömungen abgekoppelt, sagt Kantner. Doch diesmal sei Österreich „kein Fels in der Brandung“.

Eine Hauptursache für die Trendwende sieht Kantner in den „exorbitanten Treibstoffpreisen“. Allein die Erwartung weiterer Preisanstiege dämpfe die Investitionen. Und noch seien die Preise nicht für alle Energieträger angestiegen.

Auch die Finanzierfreudigkeit der Banken sei „trotz gegenteiliger Beteuerungen der Kreditinstitute“ gedämpft, meint Kantner. Pleite-Branche Nummer eins ist nach wie vor die Bauwirtschaft. Allein am Bau gab es in den ersten sechs Monaten 532 Pleiten. „Für ein Land, in dem derartig viel gebaut wird, ist dies seit Jahren ein Beweis nicht für die Schwäche der Wirtschaft, sondern für die Tiefe der kriminellen Praktiken in der Branche“, warnt der KSV.

Ab 2009 will man den sogenannten Scheinfirmen am Bau, die im Vorjahr allein die Krankenkassen um 100 Mio. Euro geprellt haben, einen gesetzlichen Riegel vorschieben. Nämlich mit der „Auftraggeber-Haftung“.

Bau: Kriminelle Machenschaften

Demnach muss der Auftraggeber 20 Prozent der Auftragssumme im Voraus an die Krankenkasse abführen. Es sei denn, der Subunternehmer wird von der Krankenkasse als vertrauenswürdig eingestuft.

Kantner meldet bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes große Skepsis an. „Das ist eine von Bürokratie überfrachtete Lösung, die keine klare Linie schafft.“ Das neue Gesetz würde lediglich „die Anständigen abschrecken“.

Doch nicht nur die Unternehmer sollten mehr in die Pflicht genommen werden, sondern auch die Arbeitnehmer. Denn oftmals stecken kriminelle Unternehmer und Bauarbeiter unter einer Decke. Es gibt Bauarbeiter, die kassieren doppelt: Wenn ihre Baufirma Pleite geht und die Hintermänner über alle Berge sind, behaupten sie, monatelang keinen Lohn bekommen zu haben. In diesem Fall zahlt der Insolvenzausgleichsfonds. „Kein Bauarbeiter arbeitet monatelang, ohne einen Lohn zu sehen“, meint Kantner. Er tritt deshalb dafür ein, den Zugang zum Insolvenzausfallsgeld zu erschweren.

Viele Wirte zahlungsunfähig

Trotz Euro-Euphorie bleibt auch die Gastronomie eine Hochburg der Firmenpleiten. 454 Insolvenzverfahren gab es im ersten Halbjahr. Damit liegen die Wirte auf Platz drei der Insolvenzstatistik hinter den unternehmensbezogenen Dienstleistern (die Branchen von Reinigungsfirmen bis hin zu Unternehmensberatern umfassen). Grund ist für Kantner die hohe Zahl von Unternehmen. Im Gastgewerbe sei die Gründung leichter und verlockender als in anderen Branchen.

Betrachtet man die Schadenssumme, liegen die unternehmensbezogenen Dienstleistungen mit Passiva von 243,4 Mio. Euro vor der Bauwirtschaft (189,4 Mio. Euro) und den Verkehrsunternehmen (76,3 Mio. Euro). Das Gastgewerbe rangiert weit abgeschlagen bei 76,2 Mio. Euro Schulden.

Weniger Konkurse abgewiesen

Größte Insolvenz im heurigen Jahr war der Konkurs der Biodiesel Enns (46,4 Mio. Euro Passiva), gefolgt von der AST Baugesellschaft (41 Mio. Euro) und der Maschinenfabrik Battenfeld (30 Mio. Euro). Von den 3136 in die Insolvenz geschlitterten Unternehmen schafften 23 den Weg in den Ausgleich, 1593 gingen in Konkurs, und bei 1520 wurde der Konkursantrag mangels Masse zurückgewiesen. Die Zahl der zurückgewiesenen Konkurse ist übrigens mit 13,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr stark rückläufig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.06.2008)

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