E-Control: Freifahrt für alle in öffentlichen Verkehrsmitteln

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Ein ungewöhnlicher Vorschlag: Kostenloser öffentlicher Verkehr soll Energie sparen helfen. Bereits jetzt stammt nur ein kleiner Teil der der Umsätze von privaten Kunden.

wien (jaz).Etwa zwölf Prozent der gesamten in Österreich verbrauchten Energie fließen in den Transport von Personen. „Und dies ist der Bereich mit dem größten Wachstum in den vergangenen Jahren“, sagt E-Control-Chef Walter Boltz. Vor allem der individuelle Autoverkehr nimmt stark zu. „Sämtliche Einsparungen bei den Fahrzeugen wurden durch die steigende Fahrleistung wieder wettgemacht“, so Boltz weiter. Deshalb hat die E-Control im Rahmen des Maßnahmenpakets für mehr Energieeffizienz, das sie im Auftrag des Wirtschaftsministeriums erstellt, nun einen ungewöhnlichen Vorschlag: Der öffentliche Verkehr sollte für jeden Österreicher kostenlos sein.

„Beim öffentlichen Verkehr werden rund 70 Prozent der Kosten ohnehin vom Steuerzahler gezahlt. Daher ginge es lediglich um die Kostenverteilung der anderen 30 Prozent“, sagt Boltz. Durch eine weitgehend kostenlose Netzkarte für jeden erwartet er sich einen deutlichen Anstieg bei der Nutzung des öffentlichen Verkehrs.

Im öffentlichen Verkehr stammt schon jetzt nur die Minderheit der Umsätze von privaten Kunden. So erzielte beispielsweise die Personenverkehrstochter der ÖBB im Vorjahr 615 Mio. Euro Umsatz am Markt. Weitere 783,2 Mio. Euro erhielt sie von der öffentlichen Hand für sogenannte gemeinwirtschaftliche Leistungen, wie beispielsweise die Schülerfreifahrt. Die Ausgaben für den Betrieb des Schienennetzes werden ebenfalls großteils vom Staat getragen.

Milliarden für die „Öffentlichen“

Ähnlich ist die Situation bei den meisten städtischen Verkehrsbetrieben – wie etwa den Wiener Linien. Dort gibt es einen Kostendeckungsgrad von rund 50 Prozent (inklusive Schülerfreifahrt). Allerdings ist der U-Bahn-Ausbau nicht eingerechnet. Insgesamt zahlt der Bund knapp zwei Mrd. Euro pro Jahr für den öffentlichen Verkehr. Darüber hinaus gibt es Zahlungen von Ländern und Gemeinden.

„Ein komplett kostenloses Angebot des öffentlichen Verkehrs würde aber weitere Milliarden kosten“, meint Gabriela Moser, die Verkehrssprecherin der Grünen. Sie ist daher gegen den Vorschlag der E-Control. „Wir können nicht so viel Geld verschenken. Außerdem hat Mobilität ihren Wert.“ Dem stimmt Christian Gratzer vom – dem öffentlichen Verkehr gegenüber freundlichen – VCÖ zu: „Die Erfahrungen zeigen, dass nicht so sehr der Preis, sondern das Angebot für die Kunden entscheidend ist. Ein kostenloser öffentlicher Verkehr hätte wahrscheinlich sogar einen negativen Effekt, da sich langfristig die Qualität verschlechtern würde.“

Vom Verkehrsministerium heißt es dazu, dass man sich bemühe, Aktionen für Senioren, Schüler, Studenten und Vielfahrer zu machen. Die öffentlichen Verkehrsmittel für alle kostenfrei zur Verfügung zu stellen, würde „den Rahmen des Möglichen bei weitem sprengen“.

Neben der Gratis-Netzkarte hat die E-Control noch einige weitere Ideen für mehr Energieeffizienz im Verkehr. „Man wird wahrscheinlich auch stärker eingreifende Maßnahmen wie die City-Maut brauchen“, sagt Boltz. Außerdem sollte die Raumordnung so verändert werden, dass künftig nicht mehr so viele neue Streusiedlungen gebaut werden. „Wenn man weiter zulässt, dass einzelne Häuser weit abseits von jeglichem öffentlichen Verkehr gebaut werden, dann werden die Bewohner dieser Häuser die nächsten 100 Jahre mit dem Auto fahren.“

Auf einen Blick

Die E-Control erstellt im Auftrag des Wirtschaftsministeriums einen Maßnahmenkatalog für mehr Energieeffizienz. Einer der Vorschläge ist, dass der öffentliche Verkehr kostenlos sein soll. Von VCÖ und Grünen gibt es Ablehnung für diese Idee.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2008)

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