Internet: Aufschwung der „Garagenhändler“

(c) AP (Franka Bruns)
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Der Handel über das Internet hat viele kleine Geschäfte vor dem sicheren Aus bewahrt. Jetzt kämpfen sie gegen „schwarze Schafe“ und immer knappere Margen.

Wien. „Den meisten Umsatz machen wir während der Mittagspause.“ Da sind die meisten der 1,9 Millionen Stammkunden gerade im Geschäft, erzählt Vera Pesata, Marketing-Chefin der österreichischen Preisvergleich-Plattform Geizhals. Tag für Tag grasen tausende Schnäppchenjäger die Internet-Seite nach den günstigsten Preisen für Elektronikware aller Art ab. Jedesmal, wenn einer von ihnen einen Link zum Online-Shop eines gelisteten Händlers anklickt, klingelt bei Geizhals die Kassa.

Zwischen 12 und 15 Cent liefern die rund 1100 Partner-Betriebe pro Besucher in ihrem virtuellen Geschäft ab. Für die enorme Reichweite müssen die meisten aber auch sinkende Gewinnspannen in Kauf nehmen. „Was man bei der Marge verliert, gewinnt man im Werbebudget“, sagt Erich Kurz, ein Elektro-Fachhändler, der schon früh den Weg ins Internet gesucht hat.

Für viele kleine Gewerbetreibende war der Start der Preisvergleich-Seiten im Internet der letzte Rettungsanker. Hier zählt weder Standort noch Filialdichte. Einzig der Preis entscheidet über die Reihung auf den einschlägigen Plattformen.

„Das Straßengeschäft ist einfach nicht mehr gegangen“, erzählt Gerhard Kloihofer, ein Wiener Unternehmer, der sich auf den Verkauf von Haushaltsgeräten spezialisiert hat. Über das Internet kämen Kunden zu ihm, die sonst wohl nie den Weg in sein Geschäft in Wien Favoriten gefunden hätten. Trotzdem, so sagt er, profitiere in erster Linie der Konsument. Denn während sein Umsatz enorm gestiegen ist, seien die Margen um mindestens zehn Prozentpunkte gesunken. Profit macht er vor allem mit Serviceleistungen. Im Verkauf sind viele Händler „schon ziemlich unten am Einkaufspreis“.

Elektro-Ketten unter Zugzwang

Genau diese Kampfpreise suchen die – immer noch – überwiegend jüngeren Kunden auf Plattformen wie Geizhals oder Guenstiger.de. Dementsprechend groß ist das Gerangel bei den Händlern um die obersten Plätze auf den Hitlisten. Wer den Bestpreis nur um 50 Cent unterbietet, wandert an die Spitze der Liste. Hier finden sich naturgemäß Versandhändler, die weder Lagerkosten noch Mitarbeiter bezahlen müssen. Der Wettbewerb ist enorm. „Jede kleinste One-Man-Show ist eine ernste Konkurrenz“, sagt Kurz.

Da können die bisherigen Platzhirsche, die Elektro-Ketten, nicht mithalten. „Den reinen Preiskäufer werden wir nie an uns binden können“, räumt Thomas Krenn, Geschäftsführer von Cosmos, ein. Doch das Internet hat mehr verändert als nur die Margen. „Heute sind die Kunden viel besser über die jeweiligen Produkte informiert“, sagt er. Das erhöhe die Anforderungen an die Mitarbeiter. Die sollen den Kunden nämlich nicht nur kompetent beraten, sie müssen ihm auch noch erklären, warum er dafür mehr als im Internet bezahlen soll. Vor allem bei Fernsehgeräten, Kameras und Laptops ist die digitale Konkurrenz stark. Doch zum Glück, meint Krenn, gebe es ja Konsumenten, die Wert auf die Verlässlichkeit einer großen Elektro-Kette legen. „Den billigen Garagenhändler gibt es vielleicht gar nicht mehr, wenn mein Gerät nach ein paar Monaten defekt wird“, warnt er.

Fantasiepreise im Netz

Auch auf die kleinen Gewerbetreibenden üben die „Garagenhändler“ großen Druck aus. Die transparenten Preise haben die Ansprüche der Kunden nach oben geschraubt. „Heute muss man immer die richtigen Produkte zur richtigen Zeit haben, und natürlich billig sein. Fehler kann man sich keine mehr erlauben“, sagt Kurz. Doch damit müsse jeder Gewerbetreibende leben.

Wirklich bedenklich seien die „schwarzen Schafe“ im Internet, klagen die Händler. Viele würden einfach Fantasiepreise angeben, um auf den Preisvergleich-Seiten ganz oben zu erscheinen. Lagernd hätten sie die Ware dann ohnedies nicht. Kommt ein Nutzer dann auf die Internet-Seite eines solchen Anbieters, werden ihm dort ähnliche, aber teurere Produkte angeboten. „Ein gutes Drittel aller Händler auf den Preisvergleich-Seiten geben unrichtige Preise an und reden sich im Nachhinein heraus“, sagt Kurz, der auch als Wirtschaftskammer-Funktionär tätig ist. Das mindere natürlich das Vertrauen in den Online-Handel.

Laut einer aktuellen OECD-Studie schreckt ein Drittel aller Internetnutzer noch immer davor zurück, im Netz einzukaufen. Auch bei Geizhals ist dieses Problem nicht unbekannt. Zwar werden die Internetseiten der Händler stündlich nach den aktuellsten Preisen durchforstet, dennoch komme es immer wieder vor, dass sich Kunden über unrichtige Angaben beschweren, erzählt ein Mitarbeiter. „Sobald wir einem Händler dahinter kommen, ist er seinen Vertrag los“, beruhigt die Marketingleiterin. Schon vor der Aufnahme in die Liste würden alle Partner auf „Herz und Nieren“ geprüft. „Wenn jemand zu gute Preise anbietet, werden wir schnell vorsichtig.“ Bewährt habe sich auch die Händler-Bewertung durch die Nutzer. Schon im normalen Handel soll jeder unzufriedene Kunde zehn andere davon abhalten ins Geschäft zu kommen, sagt Pesata. Im Internet ist das um ein Vielfaches schlimmer.

Auf einen Blick

Preisvergleiche im Internet boomen, die österreichische Plattform Geizhals zählt täglich tausende Kunden und hat bereits 1100 Partner-Betriebe.

Viele kleinere Händler bewahrt der Internet-Handel vor dem Aus. Dort zählt weder Filialdichte noch Innenstadt-Lage.

Das größte Problem der „Garagenhändler“ sind schwarze Schafe, die mit Fantasiepreisen im Internet locken. Laut Wirtschaftskammer geben ein Drittel der Händler unrichtige Preise an.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.07.2008)

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